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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Susan Ee
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Fleischfasern, die in den geraden Reihen ihrer Rasierklingenzähne hängen.
    Ich wünschte, ich könnte die Augen schließen.
    Meine Schwester legt mich auf eine Bank, die sich an der Seite der Ladefläche befindet. Die Menschen gehen uns aus dem Weg. Irgendwann kommt meine Mutter in mein Blickfeld und setzt sich neben mich. Vorsichtig legt sie meinen Kopf in ihren Schoß. Sie weint immer noch, aber nicht mehr so hysterisch. Paige setzt sich neben meine Füße.
    Obi muss in der Nähe sein, denn alle blicken über die Ladefläche hinaus, als würden sie einen Urteilsspruch erwarten. Lassen sie mich bleiben?
    »Raus hier!«, sagt Obi. »Wir haben schon zu viel Zeit verschwendet. Schafft die Leute auf die Trucks! Lasst uns gehen, bevor er explodiert!«
    Er? Der Horst?
    Der Lastwagen füllt sich mit Menschen, doch irgendwie schaffen sie es, Platz um uns herum zu lassen, sodass wir nicht zu eingezwängt sind.
    Pistolenschüsse dringen durch das Geschrei. Die Leute versuchen, durchzuhalten und sich für eine harte Fahrt zu rüsten. Der Truck macht einen Satz nach vorne, schlängelt sich durch die leeren Autos und lässt den Horst immer weiter hinter sich.
    Mein Kopf hüpft auf dem Oberschenkel meiner Mutter auf und ab, als wir über etwas drüberholpern. Über eine Leiche? Die Kugeln der Maschinengewehre hören keinen Moment auf, durch die Luft zu zischen. Ich kann nur hoffen, dass der wilde Kugelhagel Raffe verfehlt, wo immer er sich auch gerade aufhalten mag.
    Im falschen Sonnenuntergang des Feuerscheins donnert kurz nach unserer Abfahrt ein großer Laster in das Gebäude hinter uns.
    Der erste Stock geht als Feuerball in die Luft.
    Glas und Beton fliegt in alle Richtungen. Menschen und Engel verlassen fluchtartig den Horst. Rennend und fliegend hasten sie durch das Feuer, den Rauch und die Trümmer.
    Wie unter Schock schwankt das majestätische Gebäude.
    Feuer züngelt aus den unteren Fenstern. Mein Herz krampft sich zusammen, als ich mich frage, ob Raffe wohl außerhalb des Horstes geblieben ist. Ich habe nicht gesehen, in welche Richtung er gegangen ist, und kann nur hoffen, dass er sich in Sicherheit befindet.
    Dann fällt der Horst langsam in sich zusammen.
    Er sackt zu Boden. Wie in Zeitlupe türmen sich Staubwolken auf. Das damit einhergehende Grollen klingt wie ein nie enden wollendes Erdbeben. Alle starren ehrfürchtig auf die Szene.
    Horden von Engeln kreisen in der Luft und blicken auf das Gemetzel herab.
    Als die Staubpilze zu ihnen aufsteigen, weichen sie zu rück und schwärmen in alle Richtungen aus. Doch der Schwarm wirkt ausgedünnt. Als die Glaskuppel schließlich auf den Trümmerhaufen stürzt, macht sich andächtige Stille breit.
    Dann verschwinden die Engel in Zweier- oder Dreiergrüppchen im rauchigen Himmel.
    Alle um uns herum jubeln. Manche weinen. Andere brüllen. Klatschende Menschen springen auf und nieder. Fremde, die sich noch vor Kurzem auf der Straße gegenseitig mit Pistolen bedroht hätten, umarmen sich.
    Wir haben zurückgeschlagen.
    Wir haben jedem Wesen, das es wagt zu denken, es könne uns einfach so auslöschen, den Krieg erklärt. Egal wie himmlisch, egal wie mächtig sie auch sein mögen – dies ist unser Zuhause, und wir werden darum kämpfen.
    Dies ist bei Weitem kein perfekter Sieg. Ich weiß, dass viele der Engel mit nur geringfügigen Verletzungen entkommen sind. Ein paar haben wir vielleicht getötet, aber der Rest wird sich schnell erholen.
    Doch beim Anblick der feiernden Menschen könnte man denken, der Krieg sei gewonnen. Jetzt verstehe ich, was Obi meinte, als er sagte, bei den Angriffen ginge es ihm nicht darum, die Engel zu besiegen, sondern darum, die Menschen für sich zu gewinnen.
    Bis jetzt hat niemand daran geglaubt, dass es überhaupt eine Chance gibt, zurückzuschlagen – ich am allerwenigsten. Wir dachten, der Krieg sei vorbei. Doch Obi und seine Widerstandskämpfer haben uns gezeigt: Dies ist erst der Anfang.
    Ich habe noch nie darüber nachgedacht, aber ich bin stolz, ein Mensch zu sein. Wir haben so viele Fehler. Wir sind schwach, verwirrt, gewalttätig, und wir haben mit vielen Problemen zu kämpfen. Aber alles in allem bin ich stolz, eine Menschentochter zu sein.

46
    Ein glühendes Gemisch aus Blutrot und rußigem Schwarz erfüllt den Himmel. Das verwundete Licht taucht die verkohlte Stadt in einen surrealen Glanz. Die Soldaten haben aufgehört zu schießen, doch nach wie vor suchen sie den Himmel ab, als erwarteten sie eine Dämonenarmee, die sich
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