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Angela Merkel - Ein Irrtum

Angela Merkel - Ein Irrtum

Titel: Angela Merkel - Ein Irrtum
Autoren: Cora Stephan
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erzielten CDU/CSU zusammen 23,5 Prozent (2005: 26,9 Prozent). Die SPD erhielt 16 Prozent möglicher Stimmen (2005: 26,1 Prozent), die Grünen 7,5 Prozent (6,2 Prozent) und die FDP 10,2 Prozent (7,5 Prozent).
    Bei Landtagswahlen steigt die Zahl der Nichtwähler schon mal auf um die 40 Prozent, bei Kommunalwahlen nähern sie sich den 50 Prozent. 15 Ein Zeichen für unpolitische Bürger, der Demokratie überdrüssig? Liegt’s am Wetter, gibt’s Fußball, haben die Deutschen Wichtigeres vor? Oder sind es die Parteien, die dem Wahlvolk nicht mehr behagen?
    Man darf vermuten, dass sich bürgerliche, gut ausgebildete und gut informierte Bürger vom Wahlkampftheater eher abgestoßen fühlen – die Jungen wie die Älteren, die dieses Theater mehr als zweimal mitbekommen haben und das Spiel leid sind, weil sie es in- und auswendig kennen. Das verzweifelte Gezappel und Gerangel der sich längst weitgehend ähnlich gewordenen »Volksparteien« um ein bisschen Profil, um ein wenig Kenntlichkeit, um irgendein » Alleinstellungsmerkmal «.

    Eine hat es mal mit der Wahrheit versucht: Angela Merkel. Lange ist’s her. Seither wartet das Volk atemlos auf – nein: nicht auf den »Führer« oder irgendeinen Populisten. Nur auf einen, der bereit ist zuzugeben, dass die Probleme dieses Landes sattsam bekannt sind und die Lösungsmöglichkeiten ebenfalls – und dass man weiß, was ihre Lösung verhindert: eine gut geölte Maschinerie, von der alle profitieren, nur nicht die Steuerbürger.
    Nicht nur Angela Merkel, die ganze parlamentarische Demokratie ein Irrtum? Sicher nicht. Ein Irrtum ist das institutionell verankerte Misstrauen in das Volk. Das ist ein Erbe des Grundgesetzes, insofern haben wir es Hitler zu verdanken: Das Verhältniswahlrecht spiegelt tiefes Misstrauen ins Wahlvolk und macht das politische System unbeweglich.
    Wir wissen doch: Nur die Hälfte der Abgeordneten wird direkt, also vom Wahlbürger, gewählt. Die andere Hälfte kommt über die Liste ins Parlament, und über deren Zusammensetzung bestimmen die Parteien. Wer über die Liste gewählt wird, ist also nicht dem Wähler verpflichtet, sondern seiner Partei, die ihn aufgestellt hat. Meistens nicht, weil er sich durch besondere Kompetenz qualifiziert hätte, sondern weil er in irgendeinen Proporz passt und irgendwelche Quoten erfüllt. Und weil er sich hochgedient hat. Angela Merkel, wir erinnern uns, war einst die große Ausnahme.
    Das Verhältniswahlrecht schafft keine klaren Mehrheiten und zwingt zur Koalitionsbildung, wobei die kleinen Parteien oft das Zünglein an der Waage sind. Das war die alte Rolle der FDP, und den Grünen muss man dafür dankbar
sein, dass sie diese sterile Rollenverteilung störten. Oft sorgt also der Koalitionspartner, nicht der Wähler dafür, welche Partei den Kanzler stellt. Es ist nicht immer die, die mit einer Mehrheit der Stimmen ausgestattet ist.
    Die Grünen haben einst in einer Mischung aus Naivität und Ehrlichkeit demonstriert, wohin eine Parteiendemokratie führen kann: zur völligen Entmachtung der Wähler. In der ersten grünen Bundestagsfraktion galten noch Rotation und Basisdemokratie. Rotation hieß, dass ein Abgeordneter nach der halben Legislaturperiode ausgetauscht wurde; so sollte verhindert werden, dass er zum Berufspolitiker mutierte. Über den »Nachrücker« oder die »Nachrückerin« entschied die Partei, ohne die Wähler.
    »Basisdemokratie« wiederum war zeitweise gleichbedeutend mit dem imperativen Mandat, also ganz und gar nicht demokratisch. In der ersten Bundestagsfraktion der Grünen wurde die »Linie« der Abgeordneten nicht nur von der Fraktion festgelegt, sondern – wegen Basisdemokratie – gleich noch von allen Angestellten der Geschäftsstelle, von der Bürokraft bis zu den politischen Mitarbeitern.
    Bundesjustizminister Hans A. Engelhard urteilte damals: »Wenn die Grünen (…) das im Grundgesetz aus gutem Grunde verankerte Prinzip des freien und unabhängigen Mandats beseitigen wollen, so spricht dies deutlich für das gebrochene Verfassungsverständnis dieser Gruppierung. Die Unabhängigkeit der Bundestagsabgeordneten ist ein notwendiges Strukturelement unserer parlamentarisch repräsentativen Demokratie. Wer hieran rüttelt, stellt dieses System infrage. « 16

    Wohl wahr, doch natürlich rütteln alle Parteien daran, sie zeigen es nur nicht so offen wie einst die Grünen. Fraktionszwang nennt sich hier »Probeabstimmung«. Die macht man so lange, bis das gewünschte Ergebnis erzielt ist.
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