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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman
Autoren: Tamara McKinley
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abhoben.
    Die Begeisterung darüber, dass jemand sie gefunden hatte, wurde durch Vorsicht gedämpft. Sie hatte zu viele Monate in der
     Domain verbracht, um irgendjemandem unbesehen zu vertrauen, erst recht, wenn es ein Fremder war. Sie bückte sich nach einem schweren Stein. Sie konnte nicht weglaufen oder sich irgendwo verstecken, und wenn die beiden wirklich Böses im Schilde führten, würde sie mit fliegenden Fahnen untergehen.
    Sie beobachtete, wie die beiden abstiegen, und erkannte, dass sie nicht viel älter waren als sie selbst. Der eine war dunkelhaarig, der andere blond. Gut aussehende Jungen, drahtig, offensichtlich an das Leben im Outback gewöhnt. Trotzdem war es besser, sie nicht gleich wissen zu lassen, dass sie ein Mädchen war. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie dieses Theater spielen musste, und nach dem Treck hinauf nach Longreach hatte sie jede Menge Übung darin. Sie drückte den Hut fest auf ihr struppiges Haar, reckte die Schultern und schaute den beiden entgegen. »Ich heiße Ed. Und wer seid ihr?«
    Zwei Augenpaare weiteten sich erstaunt. Das blaue erinnerte sie an das Meer, und das andere war grün wie Wintergras. »Da soll mich doch   …«, flüsterte der Hellhaarige. »Was macht denn ein kleines Kerlchen wie du so allein hier draußen?«
    »Ich kümmer mich um meinen eigenen Kram«, schoss sie zurück und reckte sich zu ihrer vollen Größe von anderthalb Metern auf. »Und klein bin ich auch nicht. Ich bin fast vierzehn.« Sie sah den ungläubigen Blick, der zwischen den beiden hin undher ging, und wünschte sich zum hundertsten Mal, sie wäre größer. Es war peinlich, so ein Knirps zu sein. Niemand nahm einen ernst. Sie hob das Kinn. »Wer seid ihr?«, wiederholte sie.
    »Ich bin Joe, und das ist mein Bruder Charlie. Dachten uns, du brauchst vielleicht Hilfe – aber wenn du schon so erwachsen bist, sollten wir vielleicht wieder verschwinden?«
    Ellie sah das spöttische Blitzen in den smaragdgrünen Augen und musste das betörende Lächeln unwillkürlich erwidern. Zugleich wurde sie das Gefühl nicht los, dass diese Begegnung ihrer aller Leben auf irgendeine Weise verändern würde. Es war eine Vorahnung ferner Schatten.

EINS:
VIERUNDDREISSIG JAHRE SPÄTER

    C laire kämpfte mit dem Ersatzreifen. Als das verdammte Ding endlich an seinem Platz war, streckte sie ihren Rücken und schaute wütend hinaus auf den verlassenen Highway. Die endlosen Meilen des Outback von Queensland lagen vor ihr, und die Hitze tanzte in Wellen über den Horizont. Sie hatte seit Stunden kein anderes Auto gesehen, und auch wenn sie durchaus in der Lage war, ein Rad zu wechseln, wäre es doch nett gewesen, ein bisschen Hilfe zu haben. Deshalb konnte sie das Outback nicht leiden: Es war zu leer, zu einsam, und nach ihren vier Jahren in Sydney war sie gewöhnt an Menschen und Lärm und das Treiben der Großstadt.
    Voller düsterer Gedanken wischte sie sich den Schweiß vom Gesicht. Das lange blonde Haar klebte ihr am Hals, und der Minirock aus Baumwolle, der am Morgen noch frisch gewesen war, sah jetzt schlaff und verknautscht aus. Das war nicht die richtige Art, ihr Examen als Tiermedizinerin zu feiern; wenn es nach ihr ginge, wäre sie jetzt mit ihren Freunden am Strand, statt hier draußen mitten im Nirgendwo zu sitzen. Aber den Ruf nach Hause, nach Warratah, konnte sie nicht ignorieren. Ihre Großtante Aurelia hatte ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass es an der Zeit sei, die Atmosphäre zu bereinigen und der Entfremdung von ihrer Familie ein Ende zu machen. Und Aurelia widersprach man nicht. Nicht, wenn einem sein ruhiges Leben am Herzen lag.
    Claire schlang ihr Haar zu einem groben Knoten und sicherte es mit einem Clip, und dann trank sie in tiefen Zügen. Die Flasche hatte auf dem Beifahrersitz gelegen, und das Wasser war unangenehm warm. Aber es wirkte, und bald konnte sie die letzte Radmutter anziehen und den Wagenheber herunterlassen. Sie warf das Werkzeug hinten in den Bus, stieg ein und startete den Motor.
    Der Bus war ein alter grüner Holden, den ihr Dad bei einer Auktion in Burketown ergattert hatte. Der Wagen sah aus wie ein Wrack, aber der Autoschlosser von Warratah hatte den Motor überholt, und jetzt schnurrte er so gut wie neu, auch wenn der Rost durch den abgeblätterten Lack schimmerte und die Hecktüren an den Griffen zusammengebunden werden mussten, damit sie sich nicht öffneten. Oft genug hatte man ihr angeboten, den Wagen mit Flower-Power-Blümchen und
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