Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman
Autoren: Tamara McKinley
Vom Netzwerk:
aufblitzen sehen, aber es war schwer zu sagen, wo es gewesen war, und jetzt, da das Schreien aufgehört hatte, gab es keinen Anhaltspunkt mehr. Er zügelte Satan. Der Hengst atmete schwer, und nach dem hektischen Rittüber die Ebene glänzte der Schweiß auf Hals und Flanken. Joe nahm den Hut ab und wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Kannst du was sehen?«, keuchte er.
    Charlie kniff die Augen zusammen und suchte den Horizont ab. »Nicht die Bohne«, knurrte er. »Und dabei war ich schon fest entschlossen, eine Jungfer in Not zu retten.«
    Joe beobachtete nachdenklich die Umgebung; er lockerte seinen Hemdkragen und versuchte, dem Wind, der mit dem Sonnenuntergang eingesetzt hatte, ein wenig Kühlung zu entlocken. Irgendjemand war da draußen, aber sie könnten hier einen ganzen Tag lang reiten und die Leute trotzdem um eine Meile verfehlen. Die Ebenen des Outback waren einfach zu riesig, und in der bevorstehenden Nacht konnte ein einzelner Reisender mir nichts dir nichts verschwinden.
    Sie stiegen von den erschöpften Pferden und führten sie in ruhigem Schritt. »War wahrscheinlich nur ein Tramp, der Dampf abgelassen hat«, brummte Charlie. »Das Blinken, das wir gesehen haben, kam bestimmt von seiner Grogflasche, und jetzt schläft er seinen Rausch aus.«
    »Ist nicht lange her, dass wir auf den Wallaby-Pfaden gewandert sind, Alter. Wir hatten vielleicht nicht die nötigen Pennys für Grog, aber erinnerst du dich, wie einsam es war? Wie ungeheuer diese leere Weite? Schätze, wir sollten ihn suchen gehen. Nur um sicher zu sein, dass ihm nichts passiert ist.«
    Grüne Augen blickten in blaue, und sie dachten an die Nächte, in denen sie sich unter eine Plane gekauert hatten, die den Regen jedoch nie hatte abhalten können. An die meilenweiten Wanderungen durch drückende Hitze zur nächsten Polizeistation, wo sie ihre kargen Wohlfahrtsrationen abgeholt hatten. So etwas wie Brüderlichkeit hatte es unter den Tramps, die sie getroffen hatten, nicht gegeben. Durch ihre Entschlossenheit, Arbeit zu finden, und durch ihre Jugend hatten sie sich von den anderen abgehoben. Sie hatten Nächte in einer Zelle auf der Polizeistation verbracht, nachdem man sie ohne Fahrkarte im Zug erwischt hatte. Nach einer Tracht Prügel war Charlie einmal fast vierundzwanzig Stunden lang bewusstlos gewesen, und es hatte endlos lange Tage gegeben, an denen sie nichts zu essen, keine Unterkunft und keine Arbeit gehabt hatten.
    »Wir hatten aber auch gute Zeiten, oder?« Joe starrte in die Ferne, wo eine Staubwolke in den Himmel stieg. »Der Viehtrieb rauf nach Curry oder der Wildpferdefang. Haben ein paar gute Kumpel gefunden.« Sein Blick verharrte am Horizont. »Da drüben.« Er streckte den Zeigefinger aus. »Da wirbelt jemand Staub auf.«
    Ellies Stiefel schlurften durch den Staub, als sie in die Richtung stapfte, in der hoffentlich Cloncurry lag. Sie hatte keine Ahnung, wie weit es bis dorthin war, aber das machte ihr keine Angst, denn sie war im Laufe des Jahres schon viele Meilen zu Fuß gegangen und war daran gewöhnt. Aber die Einsamkeit schien sie immer enger zu umfangen, je näher die Dunkelheit kam, und zum ersten Mal im Leben fühlte sie sich wirklich allein. Immer war Dad da gewesen; sie hatte mit ihm reden und mit ihm gehen können, und sie hatte die Leiden und Strapazen des Wanderlebens mit ihm geteilt. Jetzt war niemand mehr da.
    Der Durst war ihr größter Feind. Sie hatte fast den ganzen Tag nichts getrunken. Ihre Zunge fühlte sich geschwollen an, und sie konnte nicht mehr genug Speichel aufbringen, um den Staub auszuspucken, der immer noch in ihrem Mund knirschte. Sie strich mit der Zunge über die trockenen Lippen und suchte nach irgendeinem Anzeichen für einen unterirdischen Wasserlauf, nach einem Bohrloch oder einer Wasserstelle. Ihr Mut sank. Hier gab es nichts als ein paar verkrüppelte Bäume, und gelegentlich kam die staubige Straße zum Vorschein, beschienen vom ersterbenden Glanz der roten Sonne.
    Noch immer flirrte die Hitze am fernen Horizont. Papierdürres Gras raschelte, und Eukalyptusbäume welkten. Ihre Schritte waren ein einsames Geräusch in dieser endlosen Wildnis, begleitet vom aufreizenden Gebrumm der Fliegen und dem gelegentlichen Krächzen eines Raben. Dann aber wurde die Stille von einem Laut durchbrochen, und Ellie blieb wie angewurzelt stehen. Sie beschirmte ihre Augen vor dem grellen Licht und sah plötzlich, wie sich die Silhouetten zweier Reiter schwarz gegen den Sonnenuntergang
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher