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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman
Autoren: Tamara McKinley
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passten nicht zusammen und hatten einen neuen Anstrich nötig. Das Spülbecken war alt, der Gaskühlschrank unzuverlässig, die Fenstervorhänge verschossen. Doch obwohl die Reklame in den Illustrierten dazu verlockte, sich eine dieser neuen, modernen Küchen anzuschaffen, war es ihr so lieber. Dies war ihr Zuhause, und hier fühlte sie sich wohl.
    Ohne wirklich zu wissen, warum, wanderte sie aus der Küche in die quadratische Diele an der Vorderseite des Hauses undöffnete die Türen der Schlafzimmer an jeder Seite. Es waren insgesamt vier, angebaut im Laufe der Jahre, als die Kinder kamen. Aus ihrem eigenen Zimmer schaute man hinaus auf die Eukalyptusbäume und den Billabong. Musselingardinen wehten vor den Fliegengittern und machten das helle Licht weicher, das nachmittags hereinstrahlte. Das Messingbett füllte das Zimmer fast ganz aus, und das Moskitonetz aus Spitzengewebe verlieh ihm einen Hauch von Exotik. Reihen von Fotos standen auf der ramponierten Kommode, Pferdebilder zierten die Holzwände, und der gebohnerte Fußboden schimmerte zwischen den im Raum verstreuten Schaffellteppichen hervor.
    Ellie lächelte, als sie die Tür leise wieder schloss. Dies war ihr Zufluchtsort, der einzige Platz in all dem Irrsinn, der mit der Leitung einer solchen Farm einherging, an den sie sich flüchten und einander wiederfinden konnten.
    Die Zimmer der Mädchen waren von fast allem befreit, was darauf hingedeutet hätte, dass sie einmal hier gewohnt hatten. Abgesehen von ein paar Spielsachen und Büchern, aus denen sie herausgewachsen waren, gab es hier kaum noch Spuren ihrer über zwanzigjährigen Anwesenheit. Ellie zwickte in die Patchwork-Steppdecken, schüttelte Kissen auf und berührte Bücher und Reitpokale. Leanne war jetzt verheiratet und hatte ein eigenes Zuhause, und Claire   … Claire hatte jetzt ihr Examen in der Tasche, eine strahlende Zukunft in der Stadt vor sich und pflegte einen Lebensstil, von dem Ellie nur unbestimmte Vorstellungen hatte. In den letzten vier Jahren hatten sie wenig Verbindung gehabt, und betrübt erkannte sie, dass ihre älteste Tochter ihr fremd geworden war.
    Ungehalten über ihre düsteren Gedanken, schloss Ellie die Türen hinter sich, raffte einen Pullover vom Haken neben der Fliegentür und ging hinaus auf die Veranda. Es war noch dunkel; der Mond stand hoch am Himmel, und die Sterne leuchteten so klar und hell, dass es fast war, als könne man die Hand ausstrecken und sie berühren. Ellie atmete den Duft von Akazienblüten und Rosen ein, der sich mit dem herberen Geruch von Pferden, Rindern und gutem, fettem Boden mischte. Das Leben auf Warratah war alles, was sie brauchte. Eine Jahreszeit folgte hier mühelos auf die andere. Kälber wurden geboren, gebrannt und auf die Weide gebracht, bevor sie zusammengetrieben und für die Zucht oder den Schlachthof bestimmt wurden.
    Seufzend schaute sie hinaus in die Dunkelheit zu den Weiden, die sich weiter erstreckten, als das Auge reichte. Nie würde sie diesen Ort verlassen, diesen geliebten Winkel von Queensland; er war ihr den größten Teil ihres Lebens hindurch Mutter und Vater gewesen. Die, die ihr am nächsten standen, hatten dieses Land mit Schweiß und Blut genährt. Es hatte mehr Kraft und Mut von ihr gefordert, als es je ein Mensch getan hatte.
    Der Schaukelstuhl war alt; seine Kufen knarrten unter der leichten Last, als sie sich mit ihrem abkühlenden Tee hineinsetzte und zuschaute, wie die Morgendämmerung Farbe und Wärme brachte. Gespenstisch weißes Mitchell-Gras wurde silbrig, Tau glitzerte wie Millionen von Diamanten im neuen Licht. Eukalyptusbäume warfen tiefe Schatten über die gestampfte rote Erde der Rinderpferche und Corrals, und das Wasser des Billabong schimmerte wie Zinn zwischen Uferböschungen mit Trauerweiden und Spinnifex-Gras. Zufriedenheit und Trauer lagen in Ellies Lächeln, als ihr klar wurde, wie lange es her war, dass sie Warratah zum ersten Mal zu Gesicht bekommen hatte. Als sie so im wachsenden Licht dasaß, spürte sie, dass die Geister der Vergangenheit wieder zurückkehrten – und sie konnte sie nicht länger bannen.
    Die Jungen gaben Ellie Wasser und machten sich daran, ein Lagerfeuer anzuzünden. »Wen haben wir denn da?«, brummte Joe plötzlich und spähte in die Dunkelheit.
    Ellie drehte sich um und quiekte vor Freude. »Clipper! Dirist nichts passiert.« Sie stürzte dem Pony entgegen, als es auf sie zugetrabt kam, dicht gefolgt von dem Grauschimmel, und sie warf ihm die Arme um den Hals.
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