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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman
Autoren: Tamara McKinley
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»Oh, Clipper«, hauchte sie in das staubige Fell. »Ich dachte, ich hätte dich auch verloren.«
    »Langsam, Kumpel! Ist doch bloß ’n schäbiges altes Pony.«
    Ellie fuhr herum und schrie Charlie an: »Ist vielleicht schäbig für dich, aber er ist alles, was ich noch hab.«
    »’tschuldige, dass ich was gesagt hab.« Charlie wich zurück und ging zu seinem Bruder, um ihm beim Feuermachen zu helfen.
    Ellie hörte die beiden lachen und merkte, dass sie zu heftig reagiert und sich mit ihrem Geflenne wegen Clipper wahrscheinlich enttarnt hatte. Aber als sie den beiden Pferden die Sättel abnahm und sie abrieb, entspannte sie sich wieder. Sie hätten inzwischen etwas gesagt, wenn sie Verdacht geschöpft hätten.
    Nach einem Abendessen aus rauchigem Tee aus der Blechkanne und sirupgetränktem Brot fing Ellie an, die Gesellschaft der beiden zu genießen. Die Zwillinge schienen ganz ehrlich zu sein – zwei gewöhnliche Jungen vom Lande. Sie sahen gut aus und einander seltsam ähnlich, obwohl der eine blond, der andere dunkel war, und es gefiel ihr, dass kleine Fältchen an ihren Augenwinkeln erschienen, wenn sie lachten. Und sie lachten oft. »Woher kommt ihr?«, fragte sie in einem ruhigen Augenblick.
    »Aus ’ner Kleinstadt südöstlich von Brisbane. Lorraine. Wahrscheinlich hast du nie davon gehört«, sagte Joe und blies über seinen Tee. »Haben gerade drüben im Territory Wildpferde zusammengetrieben.«
    »Hört sich aufregend an«, sagte Ellie und warf einen Blick hinüber zu dem prächtigen braunen Hengst, der unter den Bäumen gehobbelt war. »Stammt er daher?«
    Joe nickte. »Hab ihn selbst eingeritten. Satan ist ein Teufel von einem Pferd, aber es gibt kein besseres.«
    Ellie lächelte, aber sie schwieg. Über Clipper dachte sie genauso, auch wenn er die besten Jahre seines Lebens schon hinter sich hatte und die meisten Leute in ihm nicht mehr sahen als ein gewöhnliches altes Hütepony. Sie fuhr aus ihren Gedanken auf, als sie merkte, dass Joe sie beobachtete. Sein prüfender Blick bereitete ihr Unbehagen, denn es sah aus, als habe er den Verdacht, sie sei keineswegs das, was sie zu sein schien. »Stört dich was, Kumpel?«, fragte sie.
    »Ich hab mich grad gefragt, was du so allein hier draußen treibst«, sagte Joe, und das dunkle Haar fiel ihm über die Augen. »Was ist mit deinen Eltern?«
    Es war offensichtlich, dass er nicht vorhatte, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Deshalb beschloss sie, ihm die Wahrheit zu sagen – oder zumindest einen Teil davon. »Ich und Dad, wir hatten nach dem Viehtreck rauf nach Longreach ausgemustert und waren auf dem Weg nach Curry, als der Sturm losbrach.« Sie schluckte angestrengt. »Dad ist umgekommen«, sagte sie knapp. Tränen blendeten sie, und wütend wischte sie sie weg. »Ich hab ihn da hinten irgendwo begraben.« Sie deutete mit ausgestrecktem Arm in die Dunkelheit.
    Charlie drückte ihr sanft die Schulter. »Kopf hoch, Kumpel«, sagte er. »Muss wirklich hart gewesen sein.«
    Joe strich sich das dunkle Haar aus der Stirn und kratzte sich am Kinn. In seinen grünen Augen schimmerte Humor, als er Ellie genauer betrachtete. »Du sagst uns doch die Wahrheit, Kleiner? Du bist doch nicht irgendwo ausgerissen, oder?«
    Ellie stand auf und bohrte die Hände in die Hosentaschen. »Ich bin kein Lügner«, fuhr sie ihn an. »Dad ist tot. Mum ist schon vor Jahren weggelaufen, und ich bin auf dem Weg nach Gregory Downs. Scheiß auf den Rest!«
    Joe lehnte sich zurück, hob ergeben die Hände und brüllte vor Lachen. »Langsam, Kumpel. Ich wollte dich nicht ärgern.« Er schaute seinen Bruder an, der ebenfalls lachte. »Junge, der ist ganz schön feurig für so einen kleinen Knirps. Schlimmer als du,Charlie.« Schließlich hörte er auf zu lachen, und sein Gesicht wurde wieder ernst. »Wie willst du denn nach Gregory Downs kommen?«, fragte er. »Das ist ein verflucht weiter Weg. Was hast du denn da vor?«
    »Ich hab ’ne Tante auf der Farm Warratah«, sagte sie entschlossen. »Und so weit ist es auch wieder nicht. Ich bin schon weiter gelaufen.«
    Sie sah, wie in ihrem Blick Interesse aufleuchtete. »Gelaufen?«, fragte Charlie, und Joe stieß einen Pfiff aus. »Anscheinend haben wir hier den jüngsten Tramp der Stadt getroffen«, brummte er. »Woher stammst du denn, Kleiner?«
    Ellie ließ sich auf ihre zusammengerollte Schlafdecke sinken. Die Erinnerungen überwältigten sie wieder. »Aus Sydney«, sagte sie leise. »Zwei Jahre nach dem Börsenkrach von
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