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Andromeda

Andromeda

Titel: Andromeda
Autoren: Arne Sjöberg
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geworden war und die fernen Tafelberge noch schwärzer in den Himmel hineinragten – eine bizarre Kulisse vor einem noch bizarreren Hintergrund. Das Licht aus der Leuchtzeile längs der Häuser sickerte nach wie vor gelblichfade auf die Straße hinab. Es hatte nun beinahe etwas Ölig-Schmieriges an sich und erinnerte an die verlassenen, wind- und kältegepeitschten Hinterhöfe irdischer Großstädte längst vergangener Epochen. Als junger Mann hatte ich historische Videofilme gesehen, die eine ähnlich trostlose Stimmung vermittelten.
    Wieder spürte ich leichte seismische Stöße unter den Füßen, und rechts hinten kollerte es staubig-rumpelnd von einem kaum noch erkennbaren, düster ins Zwielicht der Nacht geschmiegten Gebäude auf die Straße hinunter.
    Das war eine verlorene Welt hier. Dies wurde mir klar, wenn sich auch alles in mir dagegen sträubte, es zu glauben. Nicht minder verloren – allerdings auf andere Art – wie die auf Tantalus. Ein langes, mein tiefstes Inneres ergreifendes Frösteln schüttelte mich. Dann seufzte ich und biß erbittert die Zähne zusammen. Widerfahren konnte mir nun eigentlich nichts mehr. Was einem Menschen zustoßen konnte, das hatte ich längst hinter mir. Sogar gestorben war ich schon!
    Ich schaute jetzt genauer hinaus, nicht mehr so verschreckt, nüchterner, eine Spur neugierig vielleicht schon, und da vermochte ich dann weitere Berge auszumachen. Ich begriff, daß die Stadt nicht allzu groß sein konnte. Wenn sich hinter dem Gebäude, in dem ich mich befand, ebenfalls Berge in die Höhe recken sollten, dann war das hier eine Art bebauter Talkessel. Er mochte sich drei Kilometer in die Länge und anderthalb in die Breite erstrecken. Von der nutzbaren Fläche her konnte es dann gar keine richtige Stadt sein, was sich hier erhob. Eine Art Siedlung war es dann nur, wenn auch die Gebäude, von ihrer Größe her, dazu bestimmt gewesen schienen, vergleichsweise vielen Familien Lebensraum zu bieten. Aber es war keiner mehr da von all jenen, die ehemals hier gewohnt haben mochten – das war es eben.
    Und die drei Zuckerhüte? frage ich mich. Eine Art Ordnungsmaschinen? Baupolizei? Oder was sonst?
    Das wollte mir nun wieder ein wenig Hoffnung vermitteln. Vielleicht ging doch noch ab und zu jemand diese Straße dort unten entlang. Dem durfte dann natürlich kein rutschendes Dach auf den Kopf fallen. Um Schaden zu verhüten, brachten sie es also vorher schon selbst zum Einsturz. Aber warum stürzte überhaupt alles ein? Sollten sie wirklich so unklug gewesen sein, auf derart unsicherem Grund zu bauen?
    Wo sind sie? dachte ich abermals. Warum zeigen sie sich nicht, wenn sie noch hier sind? An die fluoreszierendes ekelhafte Masse, die sich die Straße entlanggewälzt hatte, wagte ich gar nicht zu denken. Auch nicht mehr an meinen eigenen Tod und meine Auferstehung; die Erschütterung war immer noch zu groß in mir.
    Dennoch war es wohl gerade dies, was mich auf die Bahnen vernünftigen Denkens zurückführte. Sie würden sich wohl nicht so viele Mühe gemacht haben mit mir, wenn sie nicht mehr hier weilten. Bedrückendes und Unerklärliches blieb ohnehin noch genügend übrig. Mir jedenfalls schien mein alter Körper durchaus noch verwendbar gewesen zu sein. Sie mußten schon sehr triftige Gründe gehabt haben, wenn sie mir einen neuen gaben. Und dann die letzten Konsequenzen dieses Geschehens – es war einfach unvorstellbar! Auf diese Weise konnte man wohl wirklich unsterblich werden: Der alte Körper abgenutzt, und schon stand ein frischer, vielleicht jugendlicherer und unverbrauchterer zur neuen Verwendung bereit.
    Mir fiel das Wort von der ’Schablonentechnik’ ein. Wer hatte es nur gesagt, dort auf Tantalus? Castor? Baskow? Es war ja auch egal. Schablonentechnik oder eine Art Matrize oder holographisches Negativ – es lief wohl alles auf das gleiche hinaus. Es kam wahrscheinlich nur darauf an, alle Parameter eines lebenden Körpers genau genug erfassen und speichern zu können, um jederzeit beliebig viele Reproduktionen davon – vorausgesetzt natürlich, man verfügte über die erforderliche Verfahrensweise – in die Welt zu setzen. Es war ein Gedanke, der mir, trotz aller praktischen Gesichtspunkte, fast eine Spur unmenschlich erschien, einfach widernatürlich und unpassend. Aber vielleicht war es auch nur eine Frage des Standpunktes, der Gewöhnung auch und der höheren Einsicht. Ich besaß diese Einsicht nicht, ich muß es zugeben.
    Wieder bebte der Boden kaum
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