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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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faßte erneut danach, aber sie schüttelte ihn ab und verschwand rasch im Korridor.
    »Gioia?«
    »Bitte«, rief sie. »Nein. Ich wäre niemals hierher gekommen, wenn ich gewußt hätte, daß du hier bist. Komm mir nicht nach. Bitte. Bitte.«
    Sie wandte sich um und rannte fluchtartig davon.
    Er stand da und sah ihr lange nach. Cantilena und Aramayne tauchten auf und lächelten ihn an, als sei nichts geschehen. Cantilena bot ihm eine Phiole mit einer funkelnden, bernsteinfarbenen Flüssigkeit an. Er lehnte mit einer heftigen Geste ab. Wohin soll ich jetzt gehen, überlegte er. Was soll ich tun? Er kehrte zögernd zu der Feier zurück.
    Y’ang-Yeovil schob sich an seine Seite. »Sie haben ziemlich große Probleme«, sagte der kleine Mann.
    Phillips blickte ihn böse an. »Lassen Sie mich in Ruhe.«
    »Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
    »Da gibt es keine Hilfe«, sagte Phillips. Er drehte sich um, packte eine der Phiolen von einem Tablett und schluckte ihren Inhalt herunter. Er hatte plötzlich das Gefühl, als gäbe es zwei von seiner Sorte, die rechts und links neben Y’ang-Yeovil standen. Er nahm eine weitere Phiole. Nun gab es vier Ausgaben seiner Person. »Ich liebe eine Bürgerin«, platzte er heraus. Ein ganzer Chor von Stimmen schien aus ihm zu sprechen.
    »Liebe, aha. Und liebt sie Sie auch?«
    »Das habe ich geglaubt. Das glaube ich immer noch. Aber sie ist ein Kurzzeitler. Wissen Sie, was das heißt? Sie ist nicht unsterblich wie die anderen. Sie wird alt. Sie sieht bereits jetzt älter aus. Und deshalb läuft sie mir weg. Sie denkt wahrscheinlich, daß es mich abstößt. Ich habe gerade versucht, sie daran zu erinnern, daß ich auch nicht unsterblich bin, daß wir beide zusammen alt werden könnten, aber sie ...«
    »Oh, nein«, sagte Y’an-Yeovil ruhig. »Wie kommen Sie darauf, daß Sie alt werden? Sind Sie denn in all der Zeit, die Sie nun hier sind, älter geworden?«
    Phillips war völlig verblüfft. »Natürlich, ich, ich ...«
    »Wirklich?« Y’ang-Yeovil lächelte. »Hier, schauen Sie sich einmal an.« Er bewegte seine Finger auf komplizierte Weise, und zwischen ihnen bildete sich eine Zone von reflektierendem Licht. Phillips starrte sein Spiegelbild an. Ein jugendliches Gesicht schaute zurück. Es war also wahr. Er hatte einfach nicht darüber nachgedacht. Wie viele Jahre hatte er in dieser Welt zugebracht? Die Zeit war einfach verflogen; eine lange Zeit mußte es gewesen sein, obwohl er ihre Dauer nicht nachrechnen konnte. Weder er noch die anderen machten sich die Mühe, die Zeit zu messen. Aber es müssen viele Jahre vergangen sein, dachte er. All die endlosen Reisen um den Globus herum - so viele Städte, die kamen und gingen - Rio, Rom, Asgard. Das waren die ersten, die ihm einfielen, und es hatte noch andere gegeben; er konnte sich kaum an jede einzelne erinnern. Jahre. Sein Gesicht hatte sich überhaupt nicht verändert. Bei Gioia hatte sich die Zeit unbarmherzig bemerkbar gemacht, aber nicht bei ihm.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte er. »Warum werde ich nicht älter?«
    »Weil Sie nicht real sind«, entgegnete Y’ang-Yeovil. »Wußten Sie das nicht?«
    Phillips blinzelte. »Nicht real?«
    »Haben Sie geglaubt, man hätte Sie in ihrem Körper aus der Zeit geholt?« fragte der kleine Mann. »Oh, nein, nein, dafür fehlen ihnen die Möglichkeiten. Wir sind nicht wirklich Zeitreisende, Sie nicht und ich auch nicht, keiner der Besucher. Ich dachte, das wäre Ihnen klar gewesen. Aber vielleicht war Ihre Zeit noch nicht reif genug für ein angemessenes Verständnis dieser Dinge. Wir sind sehr raffiniert gemacht, mein Freund. Wir sind geniale Schöpfungen, auf wunderbare Weise erfüllt mit Gedanken, Verhaltensweisen und Ereignissen unserer Zeit. Wissen Sie, wir sind ihre größte Errungenschaft, viel komplexer sogar noch als ihre Städte. Wir sind ein weiterer Schritt nach den Temporären - mehr als ein Schritt, viel mehr. Sie tun nur das, was man ihnen aufgetragen hat. Sie sind eigentlich nichts anderes als Maschinen. Wohingegen wir selbständig sind. Wir bewegen uns nach unserem eigenen Willen, wir denken, wir unterhalten uns, wir verlieben uns sogar, wie es scheint. Aber wir werden nicht älter. Wie sollten wir auch? Wir sind nicht real. Wir sind nur ein künstliches Gewebe von geistigen Impulsen. Wir sind reine Illusion, so gut gemacht, daß wir sogar uns selbst täuschen. Wußten Sie das nicht? Wirklich nicht?«

    Er schwebte wieder in der Luft, drückte wahllos irgendwelche
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