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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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verwirrt.
    »Oh, nein, ganz und gar nicht«, erwiderte Y’ang-Yeovil liebenswürdig. »Dieselbe Welt, das versichere ich Ihnen. Ich bin menschlicher Abstammung, Bürger der Republik Ober-Han, Bewohner der Stadt Port Ssu. Und Sie? Verzeihen Sie, Ihr Name?«
    »Tut mir leid, Phillips. Charles Phillips. Aus New York City, vor langer Zeit.«
    »Ah, New York!« Y’ang-Yeovils Augen leuchteten in einem Schimmer des Erkennens auf, der rasch wieder verflog. »New York - New York - es war einmal sehr bekannt, soviel weiß ich.«
    Das ist seltsam, dachte Phillips. Er hatte jetzt mehr Mitgefühl für den armen, verwirrten Francis Willoughby. Dieser Mann kommt aus einer Zeit so weit nach meiner eigenen, daß er kaum noch etwas von New York gehört hat - er muß ein Zeitgenosse des wirklichen New Chicago sein. Ich frage mich, ob er diese Ausgabe für authentisch hält. Und trotz allem ist dieser Y’ang-Yeovil für die Bürger auch nur ein Primitiver, eine Rarität aus alter Zeit.
    »New York war die größte Stadt der Vereinigten Staaten von Amerika«, erklärte Phillips.
    »Ja, natürlich, sie war weltbekannt.«
    »Aber bereits vergessen, als die Republik von Ober-Han gegründet wurde, nehme ich an.«
    Y’ang-Yeovil wirkte verlegen, als er antwortete: »Es gab Störungen zwischen Ihrer Zeit und meiner. Aber Sie sollten meinen Worten keinesfalls entnehmen, daß ...«
    Plötzlich erklang Gelächter im Raum. Fünf oder sechs Neuankömmlinge kamen zu der Feier hinzu. Phillips schaute aufmerksam hin und erstarrte. Mit Sicherheit war das Stengard - und Aramayne neben ihm -, und die Frau, die halb von ihnen verdeckt wurde ...
    »Wenn Sie mich einen Augenblick entschuldigen wollen«, sagte Phillips und wandte sich abrupt von Y’ang-Yeovil ab. »Bitte, verzeihen Sie. Da ist gerade jemand gekommen, jemand, den ich schon sehr lange gesucht habe.«
    Er eilte auf sie zu.

    »Gioia?« rief er. »Gioia, ich bin’s! Warte! Warte!«
    Stengard stand ihm im Weg. Aramayne, der sich umgedreht hatte, um eine Handvoll Duftampullen von Cantilena entgegenzunehmen, behinderte ihn auch. Phillips drängte sich durch sie hindurch, als wären sie überhaupt nicht vorhanden. Gioia, die schon halb aus der Tür war, blieb stehen und sah wie ein erschrockenes Reh zu ihm auf.
    »Geh nicht«, bat er und nahm ihre Hand.
    Ihr unerwartetes Aussehen erschütterte ihn. Wieviel Zeit war seit jener merkwürdigen Trennung in der Nacht der Wunder in Ch’ang-An vergangen? Ein Jahr? Eineinhalb Jahre? Er vermutete Letzteres. Oder hatte er jegliches Gefühl für die Zeit verloren? Waren seine Wahrnehmungen über Zeitabläufe in dieser Welt derartig unzuverlässig? Sie schien mindestens zehn oder fünfzehn Jahre älter zu sein. Vielleicht war sie das wirklich, und ihm waren die Jahre hier wie im Traum vergangen, unbemerkt. Sie sah müde aus, überanstrengt und abgespannt. Aus ihrem hageren und seltsam veränderten Gesicht blitzten ihn die Augen beinahe feindselig an, als wollte sie sagen: Siehst du? Wie häßlich ich geworden bin?
    Er sagte: »Ich habe so lange nach dir gesucht, Gioia, ich weiß gar nicht, wie lange. In Mohenjo, in Timbuktu und jetzt hier. Ich möchte wieder mit dir zusammen sein.«
    »Das ist unmöglich.«
    »Belilala hat mir in Mohenjo alles erklärt. Ich weiß, daß du ein Kurzzeitler bist - ich weiß, was das bedeutet, Gioia. Aber was soll’s? Du wirst anfangen zu altern. Na und? Du hast also nur drei- oder vierhundert Jahre statt einer Ewigkeit. Glaubst du nicht, daß ich weiß, wie das ist, ein Kurzzeitler zu sein? Ich bin nur ein einfacher Mensch aus längst vergangenen Tagen, aus dem 20. Jahrhundert, erinnerst du dich? Sechzig, siebzig, achtzig Jahre war alles, was wir erreichen konnten. Du und ich, wir leiden an der gleichen Krankheit, Gioia. Das war es doch, was du an mir anfangs so anziehend gefunden hast, da bin ich ganz sicher. Das ist der Grund, warum wir jetzt zusammengehören. Wieviel Zeit wir auch immer haben mögen, wir können den Rest davon zusammen verbringen, begreifst du das nicht?«
    »Du bist derjenige, der nichts begreift, Charles«, sagte sie leise.
    »Mag sein. Vielleicht weiß ich immer noch verdammt wenig über diese Welt. Außer, daß du und ich - daß ich dich liebe - und daß ich glaube, du liebst mich auch.«
    »Es stimmt, ich liebe dich. Aber du verstehst mich nicht. Gerade deswegen, weil ich dich liebe, können wir beide - wir können nicht ...« Mit einem verzweifelten Seufzer wand sie ihre Hand aus seinem Griff. Er
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