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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman
Autoren: Neal Stephenson
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und würfelartig in Lagerräume und Kommandostellen unterteilt, während außen ein offener Laufgang herumführte, auf dem die Wachen des Wehrwarts innerhalb weniger Minuten eine Runde um das ganze Mynster machen und dabei (außer dort, wo Strebe- oder Stützpfeiler, Turmspitzen oder Fialen ihnen die Sicht versperrten) in alle Richtungen bis zum Horizont sehen konnten.
Dieser Mauervorsprung wurde von Dutzenden nah beieinanderliegender Stützen getragen, die sich aus den Mauern darunter bogenförmig aufwärts schwangen. Das Ende jeder Stütze diente als Sitz für einen Wasserspeier, der ewige Wache hielt. Die Hälfte der Wasserspeier (die abwehrenden) blickten nach außen, die andere Hälfte (die regelhütenden) bogen ihre schuppigen Hälse und richteten ihre spitzen Ohren und ihre Schlitzaugen in den unter ihnen liegenden Konzent. Versteckt zwischen den Stützen und durch den Wachgang beschattet, erhoben die Fenster des Regelwarts ihre gedrungenen mathischen Bögen. Es gab nur wenige Stellen im Konzent, die nicht zumindest von einem dieser Fenster aus einsehbar waren – und die kannten wir natürlich alle ganz genau.
    Saunt: In Neuorth ein Ehrentitel für große Denker, fast immer posthum verliehen. Anmerkung : Dieses Wort wurde erst in der Tausendjährlichen Orthischen Konvox im Jahr A. R. 3000 offiziell anerkannt. Davor wurde es als Falschschreibung von Savant betrachtet. Auf Stein, wo nur Großbuchstaben verwendet werden, steht dann SAVANT (oder ST., falls dem Steinmetz der Platz ausgeht). Während des Verfalls der Normen in den Jahrzehnten, die auf die Dritte Verheerung folgten, kam es immer häufiger zu einer Verwechslung der Buchstaben U und V (das »Fauler-Steinmetz-Problem«), und viele fingen an, das Wort fälschlich SAUANT zu lesen. Das verkam bald zu Saunt (inzwischen akzeptiert) und sogar sant (immer noch missbilligt). In schriftlicher Form kann St. als Abkürzung für jedes davon benutzt werden. In manchen traditionellen Orden wird es immer noch »Savant« ausgesprochen, was anscheinend auch unter Millenariern üblich ist.
    DAS WÖRTERBUCH, 4. Auflage, A. R. 3000
    Das Mynster brach aus dem abgeflachten Stumpf von etwas heraus, das einmal das Ende eines Gebirgszugs gewesen war. Im Osten ragte der Fels des millenarischen Maths über ihm auf. Die anderen Mathe und eingefriedeten Gelände breiteten sich darunter im Süden und Westen aus. Der, in dem ich mit den anderen Zehnern
lebte, war eine Viertelmeile entfernt. Eine überdachte Galerie, die aus sieben durch Podeste aneinandergereihten Treppen bestand, verband unseren Math mit einem Patio unmittelbar vor dem Portal, durch das wir normalerweise in das Mynster gelangten. Das war der Weg, den die meisten meiner Mitzehner nahmen.
    Statt aber nun darauf zu warten, dass diese träge Masse von alten Suurs das Nadelöhr freigab, ging ich zurück in den Kapitelsaal, der in Wirklichkeit nur eine Erweiterung in der Galerie war, die das Klostrum umgab. Der hatte einen Hinterausgang, der mich in eine überdachte Passage zwischen Schreibsälen und Werkstätten führte. Deren Mauern waren mit Nischen gesäumt, in die wir begonnene Arbeiten stopften. Enden und Ecken halb geschriebener Manuskripte, die allmählich vergilbten und sich aufrollten, lugten hervor und ließen die Passage noch schmaler wirken, als sie war.
    Nachdem ich bis an ihr Ende gelaufen und durch einen schlüssellochförmigen Bogen geschlüpft war, kam ich auf eine Wiese, die sich unterhalb der erhöhten Platte befand, auf der das Mynster erbaut war, und die als Puffer zwischen uns und dem Math der Zentenarier diente. Eine sechzehn Fuß hohe Steinmauer zerschnitt sie in zwei Hälften. Die Hunderter nutzten ihre Seite zur Viehzucht.
    Als ich zugelassen worden war, hatten wir unsere Seite als Mähwiese genutzt. Vor ein paar Jahren waren Fraa Lio und Fraa Jesry im Spätsommer mit Hacken losgeschickt worden, um sie nach Elferpflanzen zu durchkämmen. Und tatsächlich waren sie auf eine Stelle mit etwas gestoßen, was wie Frohkraut ausgesehen hatte. Also hatten sie es ausgerissen, in der Mitte der Wiese aufgehäuft und angezündet.
    Bis zum Ende des Tages war die ganze Wiese auf unserer Seite der Mauer zu einer einzigen Fläche rauchender, verkohlter Stoppeln geworden, und Geräusche, die über die Mauer herüberkamen, deuteten darauf hin, dass Funken auf die Hunderterseite geflogen waren. Auf unserer Seite hatten die Fraas und Suurs entlang der Grenze zwischen der Wiese und den Strüppen, wo wir den
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