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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman
Autoren: Neal Stephenson
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für eine Vorrichtung ihr auch immer benutzt, um euch einzuspulen.«
    »Wenn ihr einen alten Weitfunken-Resonator habt, könnte ich euch einen Abwärtskonverter aus meiner Rumpelkammer bringen …«
    »Wir haben auch keinen Weitfunken-Resonator«, sagte Fraa Orolo.
    »Warum kauft ihr euch nicht einfach einen?«
    Das stimmte Orolo nachdenklich. Ich konnte spüren, wie sich in seinem Kopf weitere unangenehme Fragen auftürmten: Glaubst du, dass wir Geld haben? Dass wir von der Säkularen Macht beschützt werden, weil wir auf einem Schatz sitzen? Dass unsere Millenarier unedles
Metall zu Gold verwandeln können? Doch Fraa Orolo beherrschte diesen Drang. »Da wir unter der Kartasischen Regel leben, haben wir keine anderen Hilfsmittel als Kreide, Tinte und Stein«, sagte er. »Aber es gibt noch einen anderen Grund.«
    »Aha, und der wäre?«, fragte Handwerker Flec, ziemlich gereizt von Fraa Orolos sonderbarer Angewohnheit, erst anzukündigen, was er zu sagen im Begriff war, statt gleich damit herauszurücken.
    »Es ist schwer zu erklären, aber nur ein Spuloaufnahmegerät oder eine Weitfunkenkammer oder wie immer ihr es nennt …«
    »Spulocorder.«
    »… auf irgendetwas zu richten, erfasst meiner Ansicht nach nicht das, was für mich bedeutungsvoll ist. Ich brauche jemanden, der es mit allen Sinnen aufnimmt, im Kopf verrührt und in Worte überträgt.«
    »Worte«, wiederholte der Handwerker, bevor er sich mit durchdringendem Blick in der ganzen Bibliothek umsah. »Morgen kommt Quin an meiner Stelle her«, verkündete er und fügte, etwas weniger forsch, hinzu: »Ich muss die neuen Clanex-Rekompensatoren gegenbeschießen – der Verzweigungsbaum sieht allmählich etwas klumpig aus.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, wunderte sich Orolo.
    »Macht nichts. Stellt ihm alle eure Fragen. Er hat ein ordentliches Mundwerk.« Und zum dritten Mal innerhalb von drei Minuten schaute der Handwerker auf das Display seines Nicknacks.
    Wir hatten darauf bestanden, dass er sämtliche Kommunikationsfunktionen dieses Gerätes ausschaltete, aber es diente immer noch als Taschenuhr. Die fünfhundert Fuß hohe Uhr, die sich in Sichtweite draußen vor dem Fenster befand, schien er gar nicht bemerkt zu haben.
    Ich beendete den Satz mit einem Punkt und wandte aus Sorge, amüsiert auszusehen, das Gesicht einem Bücherregal zu. Die Art, wie er gesagt hatte: Quin kommt an meiner Stelle her , hatte darauf hingedeutet, dass er das soeben spontan beschlossen hatte. Das war Fraa Orolo vermutlich auch nicht entgangen. Falls ich den Fehler machte, ihn anzuschauen, würde ich lachen müssen, und er nicht.
    Die Glocke begann zur Provene zu läuten. »Ich muss los«, sagte ich. Dann fügte ich dem Handwerker zuliebe hinzu: »Entschuldige bitte, ich muss die Uhr aufziehen gehen.«

    »Ich hatte überlegt …«, sagte Flec. Er griff in seinen Werkzeugkasten und holte einen Kunststoffbeutel heraus, blies den Sägestaub weg, öffnete den Verschluss (eines mir bis dahin unbekannten Typs) und zog ein silbernes Rohr von der Größe seines Fingers hervor. Dann warf er Fraa Orolo einen hoffnungsvollen Blick zu.
    »Ich weiß nicht, was das ist, und ich verstehe nicht, was du willst«, sagte der.
    »Ein Spulocorder!«
    »Ach so. Du hast von der Provene gehört, und wo du schon einmal hier bist, würdest du sie gerne sehen und ein bewegtes Bild davon machen?«
    Der Handwerker nickte.
    »Das dürfte zulässig sein, vorausgesetzt, du bleibst an der Stelle stehen, die man dir zuweist. Schalte es nicht ein!« Fraa Orolo hob die Hände und schickte sich an, den Blick abzuwenden. »Wenn die Regelwartin davon erfährt – sie wird mich Buße tun lassen! Ich werde dich zu den Ita schicken. Sie werden dir zeigen, wohin du gehen musst.«
    Und so fort, denn die Regel bestand aus vielen Vorschriften, und in Handwerker Flecs Kopf hatten wir sie bereits völlig durcheinandergebracht, indem wir ihm erlaubten, sich in den dezenarischen Math vorzuwagen.
    Klostrum: (1) In Altorth jeder verschlossene, abgeriegelte Ort (Thelenes wurde vor seiner Hinrichtung in einem festgehalten, aber damals besaß das Wort, was jüngere Fids verwirren mag, nicht die mathischen Konnotationen der Bedeutungen 2 etc.). (2) In Frühmittelorth der Math als Ganzes. (3) In Spätmittelorth ein von Gebäuden umgebener Garten oder Hof, der als Herz oder Zentrum des Maths gilt. (4) In Neuorth jeder ruhige, beschauliche, vor Ablenkungen und Störungen geschützte Raum.
    DAS WÖRTERBUCH, 4. Auflage, A.
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