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Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
Autoren: Alexandra Marinina
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Frauen, Damir. Du vertraust nur deinen Augen, und das kann man sogar verstehen, du bist ja Filmregisseur. Für die ist die Optik wichtig. Ärgere dich nicht.«
    »Was ist denn mit dir los? Nach so vielen Tagen bist du zum ersten Mal von selbst zu mir gekommen, früher bin ich dir nachgelaufen und habe auf dich eingeredet wie der letzte Idiot. Hast du’s dir anders überlegt?«
    »Darum geht’s nicht. Ich hatte Unannehmlichkeiten, das weißt du sehr genau. Jetzt haben sie sich glücklich aufgelöst. Deshalb bin ich zu dir gekommen.«
    »Wozu? Willst du vielleicht zu mir aufs Zimmer kommen?«
    »Nein. Ich möchte dich bitten, daß du mir etwas vorspielst.«
    »Wie bitte?«
    Vor Erstaunen hielt Damir sein Glas schief und einige Tropfen Kognak fielen auf den Tisch.
    »Ich möchte, daß du mir etwas vorspielst«, wiederholte Nastja. »Du bist doch Musiker und Komponist. Ich habe deinen Film gesehen und deine Musik dazu gehört, sie gefällt mir. Im Kinosaal steht ein Klavier. Warum kannst du mir nicht dieses Vergnügen machen?«
    »Tatsächlich, warum nicht?« Damir lachte bitter. »Ich bin nur noch dazu gut, Pianist zu sein und deine Gefühle zu begleiten. Sind deine Gefühle wenigstens echt, oder sind sie auch nur Heuchelei?«
    »Die sind echt, daran brauchst du nicht zu zweifeln.«
    Schweigend, wie zwei Fremde gingen sie zum Kinosaal. Da-mir stieg auf die Bühne, öffnete das Klavier, drehte den Stuhl herunter, der nach Igors Unterrichtsstunde zu hoch war und schlug einige Akkorde an, um zu testen, ob das Klavier richtig gestimmt war. Nastja suchte sich einen Platz in der ersten Reihe, ziemlich nahe am Klavier.
    »Und was soll ich dir Vorspielen, falsche Anastasija?« fragte er spöttisch. »Etwas aus der populären Klassik? Oder ziehst du Jazz vor?«
    »Improvisationen. Kannst du das?«
    »Kann ich. Ich kann alles. Als Klavierbegleiter bin ich ein Meister. Zu welchem Thema?«
    »Spiel etwas über mich. Spiel, daß ich anfangs so verschlossen war, verschreckt, weil ich Probleme hatte und nicht wußte, wie das alles enden wird. Und dann kam plötzlich die Erleichterung und ich verwandelte mich, ich wurde frei und ruhig.«
    »Zu Befehl, gnädige Frau.«
    Damir begann zu spielen, und Nastja hörte zu. Nicht so, wie richtige Musikliebhaber zuhören, nicht so, wie sie selbst gewöhnlich Musik hörte, indem sie sich in die Töne vertiefte und ihnen gestattete, sie mit sich zu ziehen. Sie hörte die Musik Damirs wie eine Analytikerin und stellte sie dem gegenüber, was sie schon im Film und auf der Kassette gehört hatte, die sie dem kleinen Wlad weggenommen hatte. Und sie verspürte gleichzeitig Freude und Schmerz, weil sich ihre Vermutung bestätigte, und es war eine schreckliche Vermutung. Alle Scheiben von unterschiedlicher Farbe und Größe, die unordentlich auf dem Boden verstreut lagen, paßten aufeinander wie bei einem Spielzeugkegel und füllten ihn fast bis obenhin. Das heißt, sie hatte den Mittelstab richtig gewählt.
    Damir beendete die Improvisation und nahm die Hände von den Tasten.
    »Reicht das?«
    »Das reicht, ich danke dir.«
    Nastja erhob sich und ging ohne ein Wort zu sagen den Gang entlang, an den Sitzreihen vorbei, zum Ausgang. Sie drehte sich nicht um und sah nicht, mit welchem Gesicht Damir Ismailow ihr nachschaute. Und sie wäre erstaunt gewesen, wenn sie gesehen hätte, daß Schwermut in seinen Augen lag.
    * * *
    Heute sollte Anatolij Wladimirowitsch um neun Uhr abends anrufen. Nastja hatte bereits von dem vorausschauenden Schachnowitsch eine neue Liste bekommen, deutlich kürzer als die vorhergehende. Sie warf einen Blick darauf und fühlte einen schmerzhaften Stich in der Brust. Noch ein Ring legte sich auf den Stab und ergänzte die Gesamtkonstruktion.
    »Überprüfen Sie bitte die Nummer achtzehn aus der Liste«, bat sie Starkow.
    Durch’s Telefon war Papierrascheln zu hören. Starkow blätterte die Kopie durch, die vor ihm lag.
    »Nummer achtzehn, hab’ ich mich nicht verhört?« In seiner Stimme lag Verwunderung.
    »Nummer achtzehn«, sagte Nastja nachdrücklich. »Das, was wir suchen, müßte dort zu finden sein.«
    »Gut. Wann gehen Sie schlafen?«
    »Ich werde auf Ihren Anruf warten.«
    »Dann schließen Sie die Tür ab und schalten Sie das Telefon nicht aus.«
    * * *
    Nach den erforderlichen Anweisungen rief Starkow Denissow an.
    »Mir scheint, sie ist verrückt geworden«, teilte er ihm ruhig mit. »Man kann alles annehmen, nur das nicht. Ich habe angewiesen, daß meine Leute das
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