Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain

Titel: Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
Autoren: Alexandra Marinina
Vom Netzwerk:
erreichen konnte, wiederholte er seinen Versuch alle fünfzehn Minuten, bis ihm Böses schwante. Dann rief er Schachnowitsch an.
    »Shenja, kläre sofort, wo die Kamenskaja ist.«
    * * *
    Shenja versuchte vorsichtig, die Tür zu öffnen und bemerkte, daß sie verschlossen war.
    Er griff nach dem Duplikat des Schlüssels von Zimmer 513 und schloß auf.
    Nastja lag unbeweglich mit bleichem Gesicht auf ihrem Bett. Sogar ihre hellen Augen wirkten vor dem Hintergrund der leichenblassen Haut dunkel. Shenja hatte nicht umsonst vier Monate im Sanatorium verbracht. Er fühlte Nastjas Puls, öffnete ohne Erlaubnis das Nachtkästchen und war mit sich zufrieden, als er einige Ampullen Salmiakgeist entdeckte und sich seine Diagnose bestätigte. Er fand außerdem eine Schachtel mit Tee.
    Salmiakgeist und starker heißer Tee, in den Shenja sechs Stück Zucker tat, machten Nastja munter.
    »Ich fühle mich wohl«, sagte sie. »Es ist nur ein Schwächeanfall, die Füße tragen mich nicht mehr.«
    »Wo ist das Telefon?«
    »In der Tasche, unter dem Bett.«
    Schachnowitsch schloß den Apparat an und wählte Starkows Nummer. Er wechselte mit ihm einige Worte und reichte Nastja den Hörer.
    »Anatolij Wladimirowitsch«, seufzte sie mit schwacher Stimme, »ich habe verstanden. Wir haben alles falsch gemacht. Das heißt, ich habe es falsch gemacht. Wir müssen noch zwei Sachen überprüfen. Eine überprüfe ich selbst, um die andere müssen Sie sich kümmern. Heute abend sage ich Ihnen, wer Makarow ist.«
    Shenja begriff zum ersten Mal, was das bedeutete: ›Im Dienst sterben‹.
    * * *
    Bevor er der Kamenskaja die Ergebnisse der letzten Überprüfung schickte, zeigte er die Liste Eduard Petrowitsch.
    »Ich verstehe nichts«, sagte dieser und zuckte die Achseln. Er las das Papier zweimal durch und legte es auf den Tisch. »Wozu ist das gut?«
    »Eine interessante Liste, nicht?« Starkow war nachdenklich. »Ich kann immer noch nicht verstehen, warum Sie nicht dabei sind. Da würden Sie doch dazugehören, finden Sie nicht?«
    »Nein«, gab Denissow scharf zurück. »Ich fühle mich auch hier wohl. Ich lebe so, wie ich es möchte, und nicht so, wie es meine Stellung verlangt. Schick die Liste ins Sanatorium. Dieses Mädchen weiß, was es tut.«
    * * *
    Gegen Abend hatte sich Nastja wieder erholt. Shenja hatte eine Krankenschwester zu ihr geschickt, die ihr eine Spritze gegeben hatte, zwei Stunden später noch eine, und sie hatte Nastja schwören müssen, dem Arzt Michail Petrowitsch nichts zu sagen.
    * * *
    Nastja schminkte sich sorgfältig und veränderte dabei ihr Gesicht fast bis zur Unkenntlichkeit. Sie konnte darauf malen, was sie wollte, wie auf einem leeren Blatt Papier, vom unschuldigen Engel bis zum Vamp. Sie suchte lange nach der richtigen Garderobe und entschied sich schließlich für schwarze enge Hosen und einen schwarzen Rollkragenpullover, um die offenen, langen hellen Haare zu betonen. Schmuck hatte sie nicht mitgenommen, was sie in diesem Augenblick aufrichtig bedauerte: eine dezente Silberkette hätte sehr gut zum schwarzen Rollkragenpullover gepaßt. Also gut, nimm, was du hast, sagte sie sich und tupfte sich mit dem dicken Glasverschluß etwas Parfum auf Hals und Haare.
    Sie war sich nicht sicher, ob sie Damir sofort finden würde, aber sie hoffte, daß sie auch einmal Glück haben würde. Im Leben mußte es doch eine ausgleichende Gerechtigkeit geben: Nachdem sie so viele Fehler und Irrtümer begangen hatte, mußte sie einfach auch einmal Glück haben. Das wäre sonst ungerecht.
    Und sie hatte wirklich Glück. Damir war nicht in seiner Suite, aber sie fand ihn in der Bar. Ismailow trank Kognak. Allem Anschein nach war er noch nicht lange dabei, denn er war noch nicht betrunken. Also vorwärts, Nastja, den Gang leihen wir uns von der ersten Schauspielerin, die Stimme von einer anderen, und das Lächeln von der dritten. Die echte Nastja Kamenskaja hat hier nichts verloren, sie ist auf Zimmer 513 geblieben.
    »Guten Tag, mein Lieber!«
    Sie küßte Damir sanft auf die Wange und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch. Damir betrachtete schweigend ihr Gesicht und stützte das Kinn in die Hand, als würde er über etwas nachdenken.
    »Das heißt, ich hatte recht«, sagte er schließlich.
    »Womit?«
    »Du bist eine Heuchlerin. Ich hatte schon lange diesen Verdacht. Eine unglückliche, häßliche alte Jungfer. Und die ganze Zeit hast du mich heimlich ausgelacht, stimmt’s?«
    »Stimmt. Du verstehst überhaupt nichts von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher