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An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman
Autoren: Brita Steinwendtner
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Medienarbeit. Sie waren übereingekommen, das Fest dieses erste Mal am Badesee zu veranstalten, hier gab es mehr Variationsmöglichkeiten. Tom sprühte vor Ideen, nicht alle ganz neu, aber in ein gutes Konzept gebracht. Der Höhepunkt würde das Podiumsgespräch zum Motiv des Überschreitens sein, sie bauten dafür eine Bühne, eine Lautsprecheranlage würde auch das gegenüberliegende Ufer beschallen. Welle wir alle sollte die Diskussion aufnehmen und später senden.
    Verena wurde von GO FOR BETTER für dieses Projekt freigestellt. Sie war eine große Hilfe und bezauberte wie immer alle, vor allem die jungen Männer der Beschallungsfirma. Tom betrachtete sie oft verstohlen. Müsste aufregend sein, mit ihr zu vögeln. „Sie zu …“ oder: „mit ihr“?
    Abends, auf dem Nachhauseweg: die Rinder. Von der Bundesstraße zweigte Tom in einen Schotterweg ab. Er führte auf eine Weide, die steil zum Fluss abbrach. Hier lebte den ganzen Sommer über eine Herde von Pinzgauer Mutterkühen mit ihren Kälbern und einem Stier. Tom beobachtete die Tiere. Er brauchte diese ruhige Stunde, um vom Badesee Abstand zu nehmen, seine Nerven zu beruhigen und sich auf die Nacht einzustimmen. Seit er im Farmland von Montana eine einzige braun-weiße Pinzgauer Kuh inmitten einer riesigen schwarzen Herde gesehen hatte, hatte er eine Zuneigung zu diesen Tieren gefasst.
    Vier Kalbinnen lagerten wiederkäuend in einer Mulde, ihre Köpfe ruhten auf dem nächstliegenden Körper, die Schwänze schlugen in die Augen der anderen. Ein noch junger, aber offensichtlich geschlechtsreifer Stier verfolgte eine Kuh, rastlos zogen sie über die Weide, einmal er ihr, dann sie ihm nach, sie verjagten sich, suchten sich, sein Sack baumelte hin und her, wenn er lief, sein Geschlecht fuhr er aus, wenn er hinter ihr war. Ein Kälbchen hatte verschlafen, dass seine Mutter hinter die Kuppe des Hügels weitergezogen war. Als es erwachte, rannte es panisch hin und her, blieb abrupt stehen, schaute, rannte in eine andere Richtung, stierte wie verloren ins Leere. Dann besann es sich und galoppierte ungelenk über die Kuppe. Hoffentlich durchbrach es nicht den Drahtzaun zur Schlucht.

42
    Endlich Sommer.
    Lindenblüten und Mauersegler.
    Tiefe Dekolletees und braun-glänzende Haut.
    Die Schaukel am Nussbaum hing fest an beiden Seilen.
    Ab Mitte Juni und in den Juli hinein blieb es wochenlang schön.
    Der Lamanderbach war wieder friedlich, klar und erfrischend. Um für den Tag gerüstet zu sein, suchte Tom morgens das kühle Bad im Bach, am See selbst nahm er sich in der Hochsaison selten Zeit dafür. Er legte sich auf den Rücken, ließ das Wasser von den Schultern her über den Körper fließen, sah in die über dem Böschungswald aufgehende Sonne, bis es schmerzte, bog den Kopf zurück, tauchte Haar und Gesicht tief ins Wasser, schloss die Augen und wartete auf das Spiel, das er liebte, wartete auf die Sonnenpunkte, die im Schwarz zum Leben kamen, die Figuren, Kreise, Striche, Schlingen, das Zitterlicht von Stillstand, Bewegung und Aufruhr, sah in das surreale Treiben, Safransand und Salamandersagen. In jedem Punkt das Begehren nach dem Mehr, der geheime Wunsch nach der Wiederholung.
    Jedes Mal wieder anders.
    Jedes Mal wieder Biografie.
    Ein Orpheustöter sang, er hatte sich wohl aus dem Süden hierher verirrt. Ribisel reiften. Die Rosen an den Stützen zur Veranda dufteten. Das Leck im Dach war notdürftig repariert. Hinter dem Haus hackte Tom in einem Anfall von Wut zwölf kleine, wuchernde Essigbäume um. In einer guten Laune setzte er im Innenhof feuerrote Pelargonien in das Tretboot. Den Tyrannenmord, der sich hartnäckig immer wieder in das Gedächtnis drängte, ließ er vom Bach in den Teich spülen und weiter in den Fluss und weiter.
    Aber das große Literaturfest am Badesee fand statt.
    Es war ein heiterer Sommertag.
    An die 300 Leute kamen.
    So viele hatte niemand erwartet.
    Zum Großteil waren es Menschen, die keine Literaturkenner waren, sondern die morgens und abends den Stall ausmisteten, an der Kassa vom Billa-Markt saßen oder im Staub des Zementwerks an einer Maschine hantierten. Genau das wollten die Veranstalter erreichen: Literatur für jedermann.
    Für die never ending story am Kiosk ging das Papier aus, der Hit des Kinderprogramms war ein schwarzer Neufundländer, der die Wunschzettel für neue Bücher in einer Halsbox quer über den See schwamm und bei den wartenden Eltern ablieferte, die Autoren-Lesungen wurden bejubelt, der Bücher-Flohmarkt
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