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An diesem einen Punkt der Welt - Roman

An diesem einen Punkt der Welt - Roman

Titel: An diesem einen Punkt der Welt - Roman
Autoren: Brita Steinwendtner
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brachte gutes Geld, die Jugendbands spielten flott, Joe Meisters dörfliche Szenen wurden gefeiert, die Schreibwerkstatt für Bäuerinnen brachte erschütternde Geschichten zutage, den Literaturwettbewerb gewann eine fünfzehnjährige Schülerin und Florians mit Fackeln beleuchtete, bewegliche Installation auf den Flößen trieb in den Abend wie die Flügel eines Albatross. Auf Virgils Trompete blies Dominik sein erstes öffentliches Solo, das von den Konglomeratwänden als Echo zurückkam. Parmenides zeigte auf einer Videoleinwand ein Spektakel: Er ließ griechische Tempel statt in ihrem klassischen Weiß in der prallen Buntheit ihrer Originalfarben erstrahlen und wandte einen ähnlichen Kunstgriff auf das Stift des Dorfes an. Unter lauten Beifallsrufen verwandelte er das ausladende Gebäude in einen riesigen Luxusliner, der langsam aus dem Tal auf ein offenes Meer hinausfuhr. Verena hatte das für ihn auf dem Computer installiert.
    Das Podiums-Gespräch über Transgression und die Frage, inwieweit es gelingen könnte, äußere und innere Grenzen zu überschreiten, wurde ein Erfolg. Tom war ein gelöster Moderator, seine assoziative Art des Fragens wirkte entwaffnend, alle spielten sich Stichworte und Pointen zu und nach der einen, wie im Flug vergangenen Stunde stand fest, dass dieses Gespräch es wert wäre, archiviert zu werden.
    Am Seeufer standen lange Schlangen vor dem Büchertisch.
    Die Bands spielten zum Abschied.
    Die Menschen sah man angeregt plaudernd nach Hause gehen. In den kommenden Tagen werden die Medien den Mehrwert des gesamten Festes hervorheben, das Organisationskomitee unter Matthias beglückwünschen und die Diskussion eine Sternstunde nennen. Toms Bild auf dem Podium wird in den Zeitungen erscheinen. Das Dorf wird stolz auf ihn sein. Sogar der Administrator des Stiftes wird freundlicher grüßen.
    *
    Elisa war unter den Zuschauern gewesen.
    Etwas abseits stand sie auf dem Damm, den Buggy mit dem Mädchen neben sich.
    Tom beobachtete sie. Sah ihre Haltung, elegant und scheu. Sah ihr langes Haar, das sie heute offen trug, es fiel über ihre linke Brust, glänzte schwarz. Sah die langen Beine, eng die Jeans. Er buchstabierte ihren Namen. Einmal. Zweimal. Die drei hellen Vokale. Der letzte war ein Anfang. Das kleine Mädchen strampelte mit den Beinen. Er ging auf die beiden zu. Elisa sah ihn kommen. Ging nicht weg. Tom ging in die Knie, beugte sich zum Kind. Es schaute ihn ernst und aufmerksam an. Bog seinen Kopf zurück und vergewisserte sich der Nähe der Mutter. Dann verzog es das Gesichtchen. Wird ein Weinen daraus? Ein Lächeln?
    Tom stand auf. Sah Elisa verlegen an. Sah in die Mündung der beiden Flüsse. Honigworte im Kopf, Dürre im Mund. Zeit zerrann. Schließlich sagte er:
    Deine Telefonnummer?
    Langes Schweigen, Schreck in den Augen – Wie damals an der Bushaltestelle?
    Ja.
    Und du im Rettungsauto?
    Wenn du willst.
    Das ist vorbei, Tom.
    Kann wieder anfangen.
    Und alles mündet auf dem Grillparz?
    Ins Jetzt.
    Ins Bittere.
    In etwas Neues.
    Du lebst immer noch in Illusionen, Tom.
    Nein, Elisa, ich mein es wirklich und mit Haut und Haar.
    Das kleine Mädchen schaute sie beide an. Warf den Plüschtiger in die Wiese. Flussrauschen. Reiben von Kieseln.
    Ich werde nachdenken, Tom.
    Worüber?
    Was ich dir als Antwort auf ein Kärtchen schreibe.
    Bitte!
    Kann lange dauern.
    Ich hab Geduld.
    *
    Die glückliche Stimmung des Festes reichte an jenem Abend bis in das Lamanderhaus, wo in der Nacht in kleinem Kreis weitergefeiert wurde. Verena und Dominik – eine Liebschaft würde es nicht werden, aber sie verstanden sich gut – hatten im Garten Bierbänke und Tische aufgestellt und Getränke vorbereitet. Alles war mit Windleuchten erhellt, romantischer hätte es nicht sein können.
    Tom war ein dezenter Gastgeber. Unterhielt sich mit allen, auch lange mit Emanuel Karlinger, den er eingeladen hatte und der ihm mehr geworden war als ein unbeirrt an ihn glaubender Universitätsprofessor. Irgendwann erwähnte jemand die Bücher im Haus, Autoren und Gäste streiften durch die Räume und die überbordende Bücherwelt, konnten es nicht fassen, was hier gesammelt und gelebt wurde, hier im Lamandergrund, weit von der Welt. Wer war dieser Mann, der eine globale Bibliothek hatte und offenbar in sich trug und zugleich von ausnehmender Zurückhaltung war? Man sprach über neue Projekte.
    Zwischen den Blättern des Nussbaums funkelte die Venus.
    Der Lamander floss seinen Bogen um Haus und Grund.
    Der Morgen
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