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An den Rändern der Zeit (German Edition)

An den Rändern der Zeit (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
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Schreibtisch eingelassen
war. Ein rotes Schimmern, begleitet von einem hässlichen Summton, löschte ihren
Job-Zugangscode. Sie bekam die ihr noch zustehenden Chips und gab dafür ihre
Waffen ab. Mit cooler Ausdruckslosigkeit.
    Dann setzte sie mit einem federleichten Sprung über
den Schreibtisch, gab dem Vorgesetzten einen spielerischen Klaps auf die Wange,
der ihn zurückfahren ließ, schob ihn beiseite und wandte sich blitzschnell „dem
Comp“ zu. Sie nahm ihre Sonnenbrille ab und blinzelte. Das genügte schon. Ein
24fach gefaltetes, tiefendimensionales Hexenvirus jagte nun durch das
Kontrollprogramm – und es würde verhackt schwer zu erwischen sein, denn es
verkleidete und verwandelte sich ständig.
     
    B.C. befand sich irgendwo zwischen einem eisgrauen
Vorort und der Treibgutzone, als sie sich daran zurückerinnerte. Sie lachte
grimmig in sich hinein – doch plötzlich schlang sich eine schmierige
Fahrradkette sehr schmerzhaft um ihren Hals, drückte noch dazu gegen ihr
geprelltes Schlüsselbein und machte sie SEHR wütend.
    „Gib mir deine Chips!“, zische eine Rattenstimme
hinter ihr. Ein räuberisches Element, ein menschliches Nagetier.
    B.C. griff zu, wirbelte ihren Angreifer durch die Luft
und erfuhr nie, wie der in Schatten gehüllte Möchtegernräuber aussah. Sie legte
auch keinen Wert darauf, es zu erfahren – leider jedoch schien er noch nicht
genug zu haben. Aus der Finsternis heraus, nah, noch viel zu nah, fauchte er
sie an, und instinktiv – unüberlegt – schlug sie zu, traf zwei ziemlich lange
Schneidezähne, es knirschte, und sein Schmerzensschrei mischte sich mit dem
ihren, denn sie hatte ganz vergessen, dass die Knöchel ihrer rechten Faust
bereits aufgeschlagen waren und bluteten.
    Das räuberische Element sammelte nun seine Knochen
zusammen und verschwand. B.C. zog sich die Fahrradkette vom Hals.
    „Verdammte Scheiße“, flüsterte sie, das Blut von ihren
Knöcheln saugend. Alles in allem war sie etwas verstört. Bisschen viel Pech für
eine Nacht.
    Sie beschloss, Fa Pa in der Treibgutzone aufzusuchen.
Fa Pa hatte den besten Stoff, und sie hatte es sich verdient.
     

Abschnitt 4
     
    In der Treibgutzone Dienst zu machen, sichert die
nächste Beförderung, sagte sich der Amtmann. Er sagte es sich immer wieder
vor. Mit zusammengebissenen Zähnen. Allein, wie das hier STANK … erst vor
kurzem war es ihm gelungen, mitsamt seiner Lebensabschnittsgefährtin in einen
Vorvorort umzuziehen, obwohl sie dafür eigentlich noch nicht die passende Stufe
erreicht hatten, und so war der Kontrast für ihn besonders schlimm. Hier lagen
die Leute in ihrem eigenen Saft, wollte man es poetisch ausdrücken, und das war
noch vergleichsweise angenehm neben dem – Getier und all den – Dingen, die hier
herumwuselten und –lagen. Manchmal kam es ihm so vor, als würden sich die
Unterschiede sogar umkehren, als ob also die Dinge sich bewegten, während
Ratten, Menschen, riesige Kakerlaken wie Müll herumlagen.
    Es war GRUSELIG.
    Immerhin hatte er wenigstens einen konkreten Auftrag,
musste also keinen Routinedienst schieben.
    Im Augenblick stand er, von Dunkelheit und einigen
Kisten verborgen, in einem Hauseingang und hielt Funkkontakt zu einem
vermutlich männlichen Individuum namens Mufty. Dieses hockte in krankhaft
verdrehter Stellung (es litt an Knochenschwund) in einer Lache aus Schnaps und
Erbrochenem, ohne dies wahrzunehmen.
    Mehr als das von seiner Krankheit wusste der Amtmann
nicht über diesen mutmaßlich männlichen Mufty. Einen Rest Mitleid, von der
Sorte, die das Objekt dieser Regung gleichsam nur mit spitzen Fingern anfasste,
hatte er aus sich fortgewischt, es gelöscht wie eine fehlerhafte Datei in
seinem Comp.
    Er hatte mit Mufty nur über die Chips gesprochen,
lang, ausführlich und Dankbarkeit erheischend. Mufty konnte ein halbes Jahr
überleben, wenn er seinen Auftrag erfüllte, der im Grunde nur aus einem
einzigen Wort bestand, das er zur rechten Zeit sagen musste. Ein halbes Jahr
ohne Schmerzen. Länger machte es der Alte sowieso nicht mehr. Mufty WAR
dankbar.
    Jemand näherte sich. Zu dieser lackblauen frühen
Stunde. Die Zielperson?
    „Ist sie das?“, zischte der Amtmann in sein Minihandy.
    „Ja“, antwortete Mufty mit brüchiger Stimme.
     
    Genau besehen, ist die Treibgutzone meine
Lieblingszone. B.C. lächelte zwar nicht, als sie daran dachte, aber sie war
nicht sehr weit entfernt davon. Jeder zweite oder dritte Bewohner grüßte sie,
was sie mit einer knappen Handbewegung
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