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An den Rändern der Zeit (German Edition)

An den Rändern der Zeit (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
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viewen.“
    „Sind special, idiot“, entgegnete B.C. gelangweilt.
    Er tippte sich mit dem Finger an das fliehende Etwas,
das er wohl seine Stirn nannte, und fragte blöde: „Was solln das meanen, häj?“
    Sie fauchte zurück: „Das MEANT, du saudummes Nullbit,
dass ich sie selbst erfunden und gemacht habe, meine Sonnenbrille! Schon mal
was von Nachtsichtsensoren gehört? Nein? Dacht ich mir.“
    „Nun mal slowdrive, Currer. Hast fuego, näch? Auf wen?
Offender?“
    Offender – so wurden sogar Katzen genannt, die über
den Zaun hinweg eindrangen. Aber auf Tiere zu schießen war nicht erlaubt.
    B.C. holte tief Luft und erklärte langsam und
sorgfältig: „Also nun hör mir gut zu, du nichtiges Minusvirus. Da wollte ein
winzigkleiner klapperdürrer Dieb hier hinein, war schon oben auf dem Zaun, ich
Warnschüsse, er weg. Du capito, Nullnummer?“
    Tomy glotzte, legte eine Hand ans Ohr. „Hääääh? Kannst
nochmal repeaten?“
    B.C. vermied meistens körperlichen Kontakt zu
irgendjemandem, aber raue Umgangsformen waren das A und O in der Wachbranche.
Sie packte also den Typen vorn am Hemd, zog ihn dicht zu sich heran und schrie
ihm ihre Message nochmals ins Gesicht, und endlich zog ein Schimmer des
Begreifens über seine aufgedunsenen Züge.
    „Taube Nuss“, fügte sie im Normalton hinzu, woraufhin
er wieder „Hä?“ sagte.
    Gleich darauf sprudelte er aber hervor: „Hör mal,
Currer, is shitstorm, wasde da tuen tust. Easygoing is nich bei sowas. Is ein
Fall fürs Amt!“
    „Für das Amt? Du bist geistesgestört!“, rief sie laut aus
und vergaß vor lauter Entgeisterung, Slang zu sprechen. Einen halbverhungerten
Dieb dem Amt melden? Das musste ein schlechter Scherz sein. Nur richtige,
bewaffnete Banden wurden gemeldet … Ladendiebstahl wurde allerorten geduldet,
zum Beispiel.
    „Fürs Amt“, wiederholte er und grinste sie tückisch
an.
    Da begriff sie – das Ganze war abgekartet, verdammter
Mist.
    So landete sie noch vor Ende ihrer Schicht in der
kleinen Bürobude, doch das eher lächerliche Verhör stand sie in stoischem
Schweigen durch. Anzuecken, das schien ihr Lebenselixier zu sein, und zwar bei
allen short stories und überhaupt, und deshalb auch gab es in ihrem Leben so
viele cliffhanger.
    Womit BIN ich eigentlich diesmal angeeckt?
    Sie verzog ihr scharfgeschnittenes Gesicht zu einem
Grinsen, und das gefiel dem Vorgesetzten, der eine eisengraue Glatze besaß,
nicht besonders. Noch weniger gefiel ihm ihre Schweigsamkeit. B.C. war der
Meinung, schon genug aus dem Vorrat an Rede-Wörtern geplündert zu haben, und
wenn sie in dieser Nacht noch einmal sprechen sollte, dann würde sie es nicht
mit ihrer Zunge tun.
    Der Vorgesetzte begann sein Verhör überaus sachlich
mit den Worten: „Weiber halten sich nie an die Regeln, ist bekannt. Lassen
Verbrecher einfach laufen – der war wohl dein Loverboy, was? Haste mit dem
Schnellfick gemacht?“
    B.C. schwieg, weiterhin wölfisch grinsend. Früher
einmal hatte Schweigen als Einverständnis gegolten; zumal wenn Frauen
schwiegen, dann hatte das bedeutet, dass sie sich fügten. Aber das hatte sich
radikal geändert. Heutzutage war Geschwätzigkeit Pflicht, Schweigen bedrohlich.
B.C. fühlte dunklen Zorn in sich brodeln … einen Zorn, der dem Ereignis in
keiner Weise angemessen war … sie verschränkte die Arme und – schwieg.
    „Heeeh … Currer so geht das aber nicht“, stieß der
Vorgesetzte kurzatmig hervor.
    Er lief tomatenrot an und ging zu einer nicht enden
wollenden Schimpfrede in gröbstem Slang über, stellte B.C. dabei bloß vor allen
Kollegen, die sich freudig versammelt hatten, um die Demütigung der ungeliebten
Wächterin zu genießen als willkommene Abwechslung vom täglichen Einerlei. Doch
irgendetwas hinderte sie daran, richtigen Spaß zu haben; ihre dumpfe
Mobbt-sie-raus-Freude trübte sich. Wieder und wieder reckten sich Hälse
innerhalb der Kollegenmenge, Hände wurden hinter Ohren gelegt, Gesichter
verzerrten sich vor Anstrengung, ständig schwoll „Was hatter gesayd?“ und
„Hääj?“, empor, und B.C. erinnerte sich an Tomys Verhalten, und sie achtete gar
nicht mehr auf das Geschimpfe ihres Noch-Chefs.
    Sind die Kerle denn allesamt schwerhörig?!
    Genau das war die beunruhigende Kleinigkeit gewesen.
    Schließlich kreischte die Glatze: „Entlassen biste,
Currer!“, und es gab rasenden Beifall. DAS hatten sie alle verstanden.
    B.C. straffte sich, trat vor und drückte ihre
Handfläche in die achteckige ID-Fläche, die in den
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