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An den Rändern der Zeit (German Edition)

An den Rändern der Zeit (German Edition)

Titel: An den Rändern der Zeit (German Edition)
Autoren: Antje Ippensen
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alles.“
    „Und wieso heißt es bei uns ‚Hingericht‘?“, fragte der
Dicke unermüdlich weiter.
    „Weil bei uns der Richter zugleich der Henker ist,
sprich: der Hinrichter“, erklärte Lara geduldig. „In der Außenwelt ist das
anders.“
    „In der Außenwelt vollstreckt nicht der Richter die
Todesstrafe?“
    Lara runzelte die Stirn und legte einen Finger an die
Nase. „Ich glaube, dort gibt es gar keine Todesstrafe mehr. Macht auch Sinn, da
sie nur ein Leben haben. Die Verurteilten kommen alle in DAS AMT. Um der
Gesellschaft zu dienen.“
    „Ge-sell-schaft.“ Die Zunge des Dicken stolperte über
das ungewohnte Wort. Lea fürchtete einen Augenblick lang, er würde nun wissen
wollen, was Gesellschaft in der Augenwelt darstelle, bedeute und wozu sie gut
sei. Doch seine Gedanken hingen noch auf Ebene 64 herum.
    „Welche Art von Tod erwartet dich, wenn du das Letzte
Rätsel nicht löst?“, fragte er bang.
    „Ach, bloß die übliche Art. Mein Gedächtnis wird
gelöscht, und ich kehre auf Ebene 1 zurück, vermutlich recht konfus.“
    „Verwirrt“, übersetzte sich der Dicke. „Hm. Aber es
wäre wohl nicht so gut, wenn du scheiterst? Ich meine, als du von GEFAHR für
uns alle gesprochen hast, da meintest du doch – DIE GEFAHR, oder?“
    Oh, das ist ja etwas für die ‚Rumpelkammer der
Rekorde‘!, dachte Lara. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein so
langes und so ernstes Gespräch mit dem Dicken geführt zu haben.
    Sie blickte ihn fest an. „Diesmal schaffe ich es.
Vertrau mir. Ja ja, ich weiß, du willst mich bestimmt darauf hinweisen, dass
ich bislang immer an der Ebene 63 gescheitert bin – aber denk doch mal dran,
wie du dich weiterentwickelt hast. Wer hätte gedacht, dass du jemals einer
Gegnerin die Pranke reichen würdest, bevor ich auftauchte? Anstatt blöde und
abgestumpft immer weiter und weiter zu kämpfen? Na also.“
    Das reißzähnige dicke Monster besaß so gut wie keine
Mimik, aber sein Fell glättete sich, was ein gutes Zeichen war.
    „Schön“, brummte der Dicke abschließend. „Ich spreche
mit den anderen.“
    Ohne ein weiteres Wort trottete er davon.
    „Achte bitte darauf, dass sie nicht zu viel Unsinn
machen!“, rief Lara ihm nach.
    „Geht klar.“
    „Es dürfte immerhin schwierig sein, auf Omega 7 so
etwas wie Partyhütchen aufzutreiben, und sie sollen möglichst nicht die Bücher
dafür zerreißen.“
    Ganz unerfahren waren die Omeganer allerdings nicht im
Feiern. Eine der vielen Neuerungen, die Lara eingeführt hatte, waren die
Freundschaftsfeste, die regen Zuspruch fanden.
    Die werden mir fehlen. Verdammt, mir wird EINE
GANZE MENGE fehlen, und ich habe keine Ahnung, wie lange ich fortbleiben muss.
    Energisch rief sie sich ins Gedächtnis zurück, wie oft
sie sich schon gewünscht hatte, andere Welten zu bereisen. Wie eng es ihr hier
manchmal wurde. Darin unterschied sie sich wirklich grundlegend von den
Omeganern. Ach, nicht nur dadurch … denn letztendlich … der arme Dicke. Wie
bekümmert er war!
    Lara schüttelte den Kopf. Sie tat sicher gut daran,
sich mehr auf die vor ihr liegende Aufgabe zu konzentrieren. Die 64er würde
wahrlich kein Zuckerschlecken sein …
    Und letztendlich waren die Omeganer eben Omeganer.
Auch der Dicke.
    Nicht einmal er hatte eine Seele.

Abschnitt 3
     
    An B.C. fand sich kein besonders auffälliges Merkmal –
sah man einmal davon ab, dass sie von einer spürbaren Kälte umgeben war und
eigentlich immer eine dunkle Sonnenbrille trug.
    Ihre körperliche Kraft verbarg sich unter schwarzem
Tuch, ihr Haar war glatt und kurz und lag dicht wie Rabengefieder am Kopf an.
Sie hatte dermaßen gut gefälschte „Papiere“, wie es früher hieß, dass es ihr
immer wieder gelang, short-story jobs zu finden, so genannt, weil sie nie
länger als zwei Wochen Arbeit und damit Chips und damit Brot brachten; bestimmt
waren die Jobs für all jene, die verloren hatten, für immer.
    B.C. hauste noch nicht einmal in der T-Zone, sondern
noch weiter draußen. Und auch sie hatte noch niemals eine Novelle gehabt, also
einen Job von mehr als zwei Wochen Dauer, der credit energy brachte, so dass
man nicht mehr von den minderwertigen Chips abhängig war.
    Trotzdem war sie viel besser dran als irgendjemand aus
der gesichtslosen Armee der Verlierer, und ihre barbarisch stolze Haltung
zeigte, dass sie das wusste. Ihre Schritte, die sie heimwärts führten, ihren
endlosen Nachhauseweg entlang, waren wachsam, doch ohne Furcht.
    Ihre letzte short story hatte mit einem
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