Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Titel: Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
Autoren: Janwillem Van De Wetering
Vom Netzwerk:
blutigem Gesicht.»
    «Vielleicht auch nicht», sagte Grijpstra. «Die Leute übertreiben, weißt du. Adjudant Geurts hat mir erzählt, daß er gestern abend gerufen wurde, um einen Selbstmord zu untersuchen. Und als er zu der Adresse kam, aß die alte Dame gerade einen leckeren frischen Toast mit Matjes und gehackten Zwiebeln. Sie hatte es sich anders überlegt. Das Leben war am Ende doch nicht so schlecht.»
    «Ein Mann mit blutigem Kopf kann es sich nicht mehr anders überlegen», sagte de Gier.
    Grijpstra nickte. «Stimmt. Und er wird kein Selbstmörder sein.» Er klingelte. Niemand antwortete. Er klingelte noch einmal. Die Tür wurde geöffnet. Der Korridor war dunkel. Sie konnten die Frau erst sehen, als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
    «Er liegt oben», sagte die Frau. «Ich geh mal voraus.»
    In der ersten Etage bogen sie in einen anderen Korridor ein. Die Frau öffnete die Tür zu einem Zimmer, das der Gracht gegenüberlag. Der Mann lag rücklings auf dem Fußboden, das Gesicht zerschmettert.
    «Tot», sagte die Frau. «Er war mein Bruder. Abe Rogge.»
    Grijpstra schob die Frau sanft zur Seite und bückte sich, um das Gesicht des Toten zu betrachten. «Wissen Sie, was passiert ist?» fragte er. Die Frau bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Grijpstra legte ihr den Arm um die Schultern. «Wissen Sie irgendwas, Juffrouw?»
    «Nein, nein. Ich kam herein, und da lag er so.»
    Grijpstra sah de Gier an und zeigte mit der freien Hand auf ein Telefon. De Gier wählte. Grijpstra zog seinen Arm von den Schultern der Frau und nahm de Gier das Telefon aus der schlaffen Hand.
    «Bring sie raus», murmelte er, «und schau nicht auf die Leiche. Trinkt beide ’n Kaffee. Ich komme später zu euch in die Küche.»
    De Gier war weiß im Gesicht, als er die Frau hinausführte. Er mußte sich am Türpfosten stützen. Grijpstra lächelte. Er hatte es schon oft gesehen. Der Brigadier hatte eine Allergie gegen Blut, aber er würde es bald überwunden haben.
    «Der Mann hat eine tödliche Schädelverletzung», sagte er am Telefon. «Veranlaßt alles Notwendige und schafft uns den Commissaris her.»
    «Ihr steckt im Demonstrationsgebiet, nicht wahr?» fragte die Stimme in der Funkzentrale. «Da werden die Wagen nie durchkommen.»
    «Besorgt eine Barkasse von der Wasserschutzpolizei», sagte Grijpstra. «Wir hätten eine haben sollen. Vergeßt nicht den Commissaris. Er ist zu Hause.»
    Er legte den Hörer auf und steckte die Hände in die Taschen. Die Fenster im Zimmer waren geöffnet. Die Ulmen verdeckten den blaßblauen Himmel. Für eine Weile ließ er den Blick auf dem zarten jungen Grün ruhen, und er bewunderte eine Amsel, die, unbekümmert um die unheimliche Atmosphäre ihrer Umgebung, plötzlich ein Lied angestimmt hatte. Ein Spatz hüpfte auf der Fensterbank umher und schaute zur Leiche hinüber, den winzigen Kopf zur Seite geneigt. Grijpstra ging ans Fenster. Die Amsel und der Spatz flogen fort, aber Möwen stürzten sich immer wieder auf die Wasseroberfläche der Gracht und suchten nach Brotresten und toten Fischen. Es war der Beginn eines Frühlingsabends, an dem der Bewohner des Zimmers nicht mehr teilhatte. Wie ist das passiert? fragte sich Grijpstra. Das Gesicht des Mannes war eine Masse aus zerbrochenen Knochen und geronnenem leuchtend rotem Blut. Ein großer Mann, vielleicht in den Dreißigern. Er trug Jeans und eine blaue, halblange Jacke mit Gürtel. Um den muskulösen, sonnengebräunten Hals hatte er eine schwere goldene Kette. Er ist im Urlaub gewesen, dachte Grijpstra, vermutlich gerade erst wiedergekommen. Spanien. Vielleicht Nordafrika oder irgendwo auf einer Insel. Er muß wochenlang in der Sonne gewesen sein. Kein Mensch wird braun im niederländischen Frühling.
    Er sah die kurzen gelbblonden Locken, gebleicht in der frischen Luft, und den Bart, der von genau der gleichen Beschaffenheit war. Das Haar schmiegte sich dem Kopf des Mannes an wie ein Helm. Ein starker Kerl , dachte Grijpstra, er hätte ein Pferd stemmen können. Schwere Handgelenke, schwellende Armmuskeln.
    Er hockte sich hin, betrachtete das Gesicht des Mannes noch einmal und sah sich dann im Zimmer um. Da er nicht fand, was er suchte, begann er umherzugehen, vorsichtig, die Hände immer noch in den Taschen. Aber der Ziegel oder Stein war nicht da. Es hätte eine so schlichte und einfache Lösung sein können. Der Mann schaut zum Fenster hinaus. Draußen Unruhen. Jemand wirft einen Ziegel. Der Ziegel trifft den Mann im Gesicht.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher