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Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers

Titel: Amsterdam-Cops 04 - Tod eines Strassenhaendlers
Autoren: Janwillem Van De Wetering
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Konstabel schlug ihn mit dem Stock auf die Schulter. Der Schlag machte ein dumpfes Geräusch, der schwere Mann knickte zusammen. Zwischen der Menge und den Kriminalbeamten waren jetzt ein Dutzend Polizisten, Grijpstra zog de Gier auf eine Veranda.
    «Wir warten wohl besser, bis sich die Schlägerei gelegt hat.»
    Sie sahen, wie ein Ziegelstein das Dach ihres Wagens einbeulte.
    «Zigarre?» fragte Grijpstra.
    De Gier schüttelte den Kopf und drehte sich eine Zigarette. Seine Hände zitterten. Was, um Himmels willen, ging in diesen Menschen vor? Er kannte die offiziellen Gründe für diese Unruhen, die kannte jeder. Die U-Bahn, Amsterdams neues Verkehrsmittel, hatte ihren Tunnel bis zu diesem alten und geschützten Teil der Innenstadt vorgetrieben, und einige Häuser mußten abgerissen werden, um dem Ungeheuer Platz zu machen, das sich unten in der Erde vorwärtsfraß. Hier würde es irgendwann einen Bahnhof geben. Die meisten Amsterdamer akzeptierten die U-Bahn; sie mußte kommen, um den unmöglichen Verkehr zu entlasten, der sich durch die engen Straßen voranquälte und die Luft verpestete. Aber die Bewohner der Gegend am Nieuwmarkt hatten protestiert. Sie wollten, daß der Bahnhof woanders gebaut würde. Sie hatten dem Bürgermeister geschrieben, waren durch die Stadt gezogen, hatten Zehntausende von Plakaten gedruckt und überall angeklebt, hatten die Büros des Baudezernats bedrängt. Und der Bürgermeister und seine Stadträte hatten versucht, die Protestierenden zu besänftigen. Sie hatten manchmal «Ja» und manchmal «Nein» gesagt. Und eines Tages war dann die Abbruchfirma gekommen, die bei der Ausschreibung der Stadt den Auftrag erhalten hatte, und hatte mit dem Abreißen der Häuser begonnen. Die Bürger hatten sich mit den Abbrucharbeitern geschlagen und diese verjagt und sich, zunächst erfolgreich, mit der Polizei angelegt.
    Jetzt waren die Abbrucharbeiter wieder da und die Polizisten in Massen angerückt. Die Bürger würden selbstverständlich verlieren. Aber sie waren inzwischen organisiert. Sie hatten Sprechfunkgeräte gekauft und Posten aufgestellt. Sie hatten ihre Verteidigung organisiert und Barrikaden errichtet. Sie trugen Motorradhelme und hatten sich mit Stöcken bewaffnet. Angeblich hatten sie sogar gepanzerte Wagen. Aber warum? Sie würden ohnehin verlieren.
    Grijpstra, der an seinem Zigarillo zog, hörte das Gebrüll der Menge. Der Haufen war jetzt sehr nahe, die Spitze nur noch drei Meter entfernt. Die Polizisten bekamen Verstärkung durch einen Zug, der durch die Gasse herbeieilte, und behaupteten ihren Platz. Drei Polizisten blieben stehen, als sie die beiden auf der Veranda versteckten Zivilisten sahen, aber Grijpstras Polizeiausweis veranlaßte sie zum Weitergehen.
    Warum? fragte sich Grijpstra, obgleich er die Antwort kannte. Dies war nicht nur ein Protest gegen den Bau einer U-Bahnstation. Es hatte immer Gewalttätigkeiten in der Stadt gegeben. Amsterdam zieht wegen seiner Toleranz für unkonventionelles Verhalten die seltsamsten Typen an. Die Niederlande sind ein konventionelles Land; aber seltsame Typen müssen auch irgendwo hin. Sie kommen in die Hauptstadt, wo die herrlichen Grachten, Tausende und aber Tausende von Giebelhäusern, Hunderte von Brücken aller Art, Reihen alter Bäume, zahllose Bars und Cafés abseits vom Verkehr, Dutzende kleiner Kinos und Theater die Außenseiter ermutigen und schützen. Die seltsamen Typen sind eine besondere Sorte Menschen. Sie tragen den Genius des Landes, seinen Drang, etwas zu erschaffen, neue Wege zu finden. Der Staat lächelt und ist stolz auf seine seltsamen Typen. Aber der Staat duldet keinen Anarchismus. Er zwingt die Außenseiter in die Schranken.
    Die Gegend um den Nieuwmarkt war die Heimat dieser Leute. Und jetzt, da die Außenseiter versuchten, gegen den vom Staat gewählten Standort für eine U-Bahnstation zu kämpfen, und sie diesen Kampf verloren und zur Gewalt Zuflucht nahmen, verlor der Staat sein Lächeln und demonstrierte seine Macht, die Macht der blau uniformierten städtischen Polizei und der schwarz uniformierten Militärpolizei, mit glänzend weißen und silbernen Litzen, gestärkt durch Stahlhelme und Gummiknüppel, unterstützt durch gepanzerte Wagen und Fahrzeuge mit Wasserwerfern, die Tausende Liter Wasser mit hohem Druck auf und gegen schreiende bärtige Strolche schleuderten, die noch heute morgen Künstler und Kunsthandwerker, Dichter oder arbeitslose Intellektuelle, sanftmütige Asoziale oder unschuldige Träumer
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