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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel
Autoren: Sebastian Fitzek
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tatsächlich Recht behalten haben. Faust hatte Leoni auf eigene Faust an den offiziellen Stellen vorbei in ein geheimes Zeugenschutzprogramm geschleust. Aus den sichergestellten Unterlagen seiner Prozessvorbereitung ging eindeutig hervor, dass er niemals geplant hatte, Leoni wieder nach Deutschland zu holen. »Leoni lebt, Marius wurde verhaftet, und die Aussage seiner Tochter wird vermutlich den größten Ring des organisierten Verbrechens in Berlin zerschlagen. Auch Sie sind von den gröbsten Vorwürfen entlastet, Jan. Die ballistischen Untersuchungen haben eindeutig Götz als Mörder von Stuck und Onassis identifiziert.« Jan nickte zustimmend.
    »Ich wollte nie jemandem wehtun. Mit Ausnahme von Timber, vielleicht.«
    Ira lachte kurz auf. Sie kannte die Vorgeschichte zwischen ihm und dem Star-Moderator. Jan hatte Markus Timber eine E-Mail mit der Bitte geschickt, sich mit dem ungeklärten Schicksal von Leoni in seiner Show zu beschäftigen.
    »Dem Spinner absagen«, lautete damals die einzeilige Antwort, die Timber eigentlich Diesel zur Weiterbearbeitung schicken wollte. Aus Versehen hatte er auch Jan im Verteiler. Ira hätte ihm vermutlich ebenfalls die Nase dafür eingeschlagen. Trotzdem konnte sie im Augenblick kaum Sympathie für den Psychologen empfinden. Sie hatte die letzten Nächte wach gelegen und es versucht. Doch ihre Wut auf ihn wollte einfach nicht verschwinden. »Vermutlich denken Sie, ich habe Ihnen mein Leben zu verdanken, Jan. Ist es nicht so?«, stellte sie die nächste rhetorische Frage. »Sie sind doch bestimmt wahnsinnig stolz auf sich? Allein deshalb, weil ich mich nicht umge-bracht habe, sondern in diesem Moment vor Ihnen sitze.«
    Er hörte auf zu lächeln.
    »Nein. Deswegen bin ich glücklich. Und dankbar. Aber nicht stolz.«
    »Quatsch. Sie fühlen sich großartig. Sie glauben, Sie haben meine Tochter gerettet und mich vom Selbstmord abgehalten. Doch in dieser Hinsicht muss ich Sie leider enttäuschen. Sie sind gerissen, das gebe ich zu. Allein die Tatsache, wie gut Ihre bezahlten Scheingeiseln die Aussagen abgesprochen hatten, beweist Ihre hervorragende Planung. Es wird schwer sein, die Laienschauspieltruppe wegen irgendeines Anklagepunktes zu belangen. Hierzu muss ich Ihnen gratulieren. Doch unsere analytischen Gespräche während Ihrer Geiselnahme können Sie allesamt in der Pfeife rauchen. Ich habe mein Trauma immer noch nicht überwunden. Meine Welt besteht jetzt nicht aus rosafarbenen Sonntagsbesuchen meiner Tochter, die mich übrigens weiterhin ignoriert.« Jan sah sie nur stumm an. Die freundliche Wärme seiner grünblauen Augen war trotz ihrer harten Worte nicht abgekühlt.
    Iras Wut wuchs dadurch nur noch weiter. Sie stand so ruckartig auf, dass ihr Holzstuhl nach hinten kippte und krachend auf dem Steinfußboden liegen blieb. »Sie sind ein großartiger Schauspieler, aber ein verdammt schlechter Psychologe.« Sie ging im Kreis um den Tisch herum. »Sie haben vor zehn Tagen hohle Phrasen gedroschen, doch keine davon hat mir irgendeine Erkenntnis gebracht. Und was sollte eigentlich der Quatsch, als Sie im Studio behaupteten, Sie würden Sara besser kennen, als ich wüsste?«
    Wortlos öffnete Jan den Mittelknopf seines Jacketts und zog einen doppelt gefalteten, mehrseitigen Brief aus der Innentasche seines Revers. Er legte die Blätter behutsam auf den Tisch, als handele es sich um ein wertvolles Gemälde.
    »Was ist das?«
    »Die Antwort auf Ihre Frage.«
    Ira blieb stehen und hob die Seiten mit spitzen Fingern auf. Dabei machte sie ein Gesicht, als würde sie den Deckel einer Büchse Maden anheben. Sie entfaltete das abgegriffene Briefpapier und warf einen flüchtigen Blick auf die erste, handgeschriebene Zeile. Dann sah sie noch mal genauer hin. Eine geschwungene, formschöne Mädchenschrift.
    »Die letzte Stufe«, sagte er. Das kann nicht sein.
    Für Ira fühlte es sich an, als fiele die Temperatur im Raum schlagartig um mindestens zehn Grad. Sie wollte Jan den Brief ins Gesicht schleudern, doch sämtliche Kraft dazu war aus ihren Gliedern gewichen.
    »Ich habe sie behandelt«, hörte sie ihn sagen, während sie sich bückte, um ihren Stuhl wieder aufzurichten. »Sara?« Ira musste sich setzen, bevor der Schwindelanfall ihr zuvorkam.
    »Sara kam vor achtzehn Monaten zum ersten Mal in meine Praxis. Wir vereinbarten mehrere Sitzungen, in denen sie mir von ihren Gefühlen, Zwängen und Komplexen erzählte. Und davon, wie sehr sie Sie geliebt hat.«
    »Sie waren Saras
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