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Amokspiel

Amokspiel

Titel: Amokspiel
Autoren: Sebastian Fitzek
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gewesen, war ihr letzter Gedanke. Cola light Lemon ... Dann setzte sie die Scherbe an und ignorierte den letzten Anruf, der ihr alles erklärt hätte.

39.
    Zwei Wochen später
    Aus der Vogelperspektive betrachtet, erinnerten ihn die fünf sternförmig aufeinander zulaufenden Flügel der Justizvollzugsanstalt Moabit immer an eine überdimensionale Windmühle. Unten am Boden waren die Eindrücke, die die roten Wachtürme hinter den Stacheldrahtzäunen vor dem Zentralgebäude der Gefängnisanstalt hinterließen, weit weniger romantisch. Selbst nach den vielen Jahren wurde es Steuer immer noch etwas mulmig, wenn er in den Hochsicherheitstrakt musste. Er sah auf die Uhr, aber es war noch Zeit. Sie hatten sich für kurz vor elf hinter den Kontrollen verabredet. Wie auf dem Flughafen musste jeder, der die Sicherheitszone betreten wollte, alle metallenen und gefährlichen Gegenstände am Eingang ablegen und danach durch einen Metalldetektor schreiten. Er hatte ihn schon passiert und setzte sich auf einen wackeligen Holzstuhl ohne Armlehne, der in diesem Moment durch sein Gewicht einer herben Belastungsprobe unterzogen wurde. »Es tut mir leid«, waren ihre ersten Worte, mit denen sie ihn wenige Minuten später begrüßte. Ihr Gesicht hatte wieder etwas Farbe angenommen, doch sie wirkte immer noch so, als würde sie sich nur langsam von einer sehr langen Krankheit erholen, und in gewissem Sinne war das ja auch der Fall.
    »Wieso entschuldigen Sie sich? Sie sind überpünktlich.«
    »Nein, nicht deswegen.« Iras Lippen deuteten ein Lächeln an.
    Er kannte diese Reaktion. Steuer wusste, er war ein Mensch, den die meisten nur respektieren, aber nie mögen würden, und ihm war klar, dass Iras scheues Lächeln das Höchstmaß an Sympathie war, das sie ihm je entgegenbringen würde.
    »Ich entschuldige mich für meine Fehleinschätzung«, eröffnete sie ihm. »Ich war der festen Überzeugung, Faust hätte Sie geschmiert.«
    Er lachte trocken. Angeschmiert wäre wohl die treffendere Vokabel. Tatsächlich war er vom Oberstaatsanwalt manipuliert worden. Kurz nach dem ersten Cash Call, als Jan seine Forderung zum ersten Mal im Radio aufstellte, informierte ihn Faust per Telefon, bei Leoni handele es sich um eine wichtige Kronzeugin, deren Existenz unter keinen Umständen enttarnt werden dürfe. Er sollte am besten sofort stürmen, koste es, was es wolle. »Ich hab mich in Ihnen getäuscht ...«, sagte Ira, »... und das tut mir sehr leid.«
    »Na, dann haben wir doch wenigstens eine Sache gemein.« Er wandte sich von ihr ab, und sie gingen gemeinsam den langen Flur hinunter, an dessen Ende der wahre Grund ihres heutigen Zusammentreffens auf sie wartete. »Auch ich habe einen großen Fehler gemacht. Ich dachte, Sie würden mit Götz unter einer Decke stecken. Nur deshalb habe ich Sie überhaupt zu ihm in den Hubschrauber steigen lassen.« Steuer gab sich Mühe, nicht zu kurz angebunden zu klingen. Dabei konnte es ihm eigentlich auch egal sein, ob sie seine Entschuldigung ernst nahm. Er hatte ihr das Leben gerettet, indem er Götz' Handy hatte orten lassen, kurz nachdem das Transpondersignal des Hubschraubers vom Monitor verschwunden war. Wäre Ira ans Telefon gegangen, hätte sie sich die hässliche Nar-be in der Leiste erspart. Die Notärzte waren vielleicht nicht in letzter Sekunde, wohl aber in letzter Minute zur Stelle gewesen.
    »Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Ich halte Sie immer noch für untauglich, eine Verhandlung zu führen. Sie sind krank. Eine labile Alkoholikerin. Darin hab ich mich nicht geirrt ...« Die nächsten Worte betonte er besonders deutlich: »Deshalb und nur deshalb wollte ich Sie von Anfang nicht am Tatort haben.«
    »Wann wussten Sie's?«, fragte sie ihn. »Wann war Ihnen klar, dass er es war?«
    »Ich schöpfte zum ersten Mal Verdacht, als Götz Leoni unbedingt vom Flughafen abholen wollte. Aber sicher war ich mir da noch lange nicht. Ich wusste nur: Wenn sich der Maulwurf zeigt, dann auf dem Dach des MCB-Gebäudes.«
    Er blieb stehen und sah sie an.
    »Wie verkraften Sie die ganze Sache eigentlich? Psychisch, meine ich.«
    Iras helles Lachen hallte an den nackten Betonwänden wider. »Körperlich sieht man mir wohl klar an, dass ich ein Wrack bin, was?«
    Steuer zog verärgert die Mundwinkel herab. »Ich frage wegen Ihrer Tochter.«
    Ira fuhr sich nervös durch ihre frisch gewaschenen Haare, bevor sie ihm antwortete.
    »Wenigstens hat Götz in diesem Punkt die Wahrheit gesagt.«
    Sie gingen weiter und
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