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Amnion 1: Die wahre Geschichte

Amnion 1: Die wahre Geschichte

Titel: Amnion 1: Die wahre Geschichte
Autoren: Stephen R. Donaldson
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muß; schlimmer noch, daß das Verständnis der Macht ihn dahin bringen muß, den eigenen Untergang herbeizuwünschen. Doch der Einfall blieb voll und ganz unausgegoren – bis 1987, als ich bemerkte, daß die Welt Angus’, Morns und Nicks genau den geeigneten Hintergrund für die Geschichte abgab, die mir vorschwebte. (Darüber hinaus erkannte ich natürlich, daß es mir, nahm ich Die Wahre Geschichte als Pilotprojekt eines viel umfangreicheren literarischen Werks, eine tadellose Gelegenheit lieferte, um die Mängel konstruktiv auszugleichen, die der Kurzroman angesichts meines ursprünglichen Vorhabens aufwies. Die relative Unausbalanciertheit der Rollen meiner Hauptcharaktere im Kurzroman wird von einer Schwäche zu einem Vorteil, wenn ihre Implikationen in späteren Büchern aufgegriffen werden. Das war der dritte, unbewußte Grund meines Mißfallens an der Wahren Geschichte. An meiner Arbeit störte mich, daß sie nicht vollständig war – und ohne eine zweite Idee als Katalysator konnte sie nicht vervollständigt werden.)
    Wie man am Ende der Wahren Geschichte sieht, ist die Bedeutung des Wagnerschen Epos für Angus Thermopyles Schicksal nicht ohne weiteres erkennbar. Das ist die einzige Entschuldigung, die ich dafür äußern kann, so langsam durchschaut zu haben, daß die Ideen ›Richard Wagner‹ und ›Angus Thermopyle‹ zusammengehören.
    Zur Erbauung oder zum Mißmut des Lesers, je nachdem, ob er Nachworte als Gewinn oder Lästiges empfindet, kann ich die vorerwähnte Bedeutung nicht erläutern, ohne mit einer gewissen Detailliertheit auf den Ring des Nibelungen einzugehen.
    Wagners Opernzyklus erzählt, kurz gesagt, die Geschichte, wie zweierlei den Sturz der Götter herbeiführt: ein bitterböser Fluch und eine selbstlos-heldenhafte Tat.

Das Rheingold
    In einer Welt, in der die Menschen als schwächste und nutzloseste Lebensform existieren, herrschen voller Stolz die Götter (als da wären: Wotan; seine Gattin Fricka, Göttin der Familie und des Herdes; Donner, Gott des Unwetters; Froh, Gott des Lichts; Loge, Gott des Feuers; und Freia, Göttin des Ewigen Lebens), obwohl sie in ihrem Reich weder die ältesten noch die mächtigsten Kräfte bzw. Wesen sind. Allerdings ist ihre Macht unsicher: sie hängt von ihrem Vermögen ab, sich den Gehorsam zweier zauberkräftiger, schöpferischer Völker zu garantieren, der Riesen (Erbauer des Großen) und der Zwerge (Erbauer des Kleinen), die beide anstreben, die Nachfolge der Götter anzutreten. Aus Gier nach Überlegenheit hat Wotan aus der Weltesche einen Stab geschnitzt; und in diesen Stab kerbt er sämtliche Abkommen und Verträge, die er aushandelt, um seine Oberhoheit zu festigen, so daß seine Autorität Bestandteil der naturgegebenen Weltordnung wird. Aber gerade weil seine Herrschaft auf Autorität und Gesetz baut – statt auf Liebe oder Tugenden –, erweckt sie Abneigung. Also geht er, um sich und die anderen Götter zu schützen, eine Abmachung mit den Riesen ein, die ihm eine unbezwingbare Burg bauen sollen: Walhall. Sein Ziel ist es, Walhall mit Helden zu bemannen, die die Aufgabe haben, für ihn zu kämpfen, damit er allen etwaigen Herausforderungen sowohl der Riesen wie auch der Zwerge widerstehen kann.
    Aber unverzüglich tauchen zwei Probleme auf: eines hat er selbst zu verantworten, für das andere trägt er keine Verantwortung.
    Letzteres kommt durch drei Wassernixen, die Rheintöchter, sowie einen Zwerg namens Alberich zustande, der auf sie scharf ist. (Ich gebe es zu, auch für mich waren die Rheintöchter nie sonderlich glaubwürdige Gestalten.) Gezeugt wurden die Rheintöchter durch eines der oben andeutungsweise erwähnten älteren Wesen, und es ist im Leben (oder wenigstens im Rhein) ihr Daseinszweck, das Rheingold zu bewachen, einen archetypischen Machtquell (ähnlich wie die Weltesche). Das Geheimnis des Rheingolds ist folgendermaßen beschaffen: wer ›der Liebe abschwört‹, aller Bindungen der Leidenschaft oder Hingabe entsagt, das Gold nimmt und daraus einen Ring schmiedet, wird die Macht erlangen, anderen seinen Willen aufzuzwingen. Aus Bosheit verraten die Rheintöchter Alberich das Geheimnis, hauptsächlich weil sie seine Lüsternheit – und Einsamkeit – für komisch halten. (Figuren einer Geschichte, die nichts Besseres zu tun haben, als irgendwo herumzuhocken und einen möglichst archetypischen Eindruck zu machen, sind oft ziemlich gemein.)
    Aber sie unterschätzen das Maß seiner Einsamkeit und seines Verlangens.
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