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Amnion 1: Die wahre Geschichte

Amnion 1: Die wahre Geschichte

Titel: Amnion 1: Die wahre Geschichte
Autoren: Stephen R. Donaldson
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räumliche Beschränkung der Erzählung bezeichnen könnte, ließ für sie zuwenig Platz.
    (Da war er wieder: ein Hinweis auf den dritten, unbewußten Grund meines Mißmuts. Aber ich ersah die Wahrheit noch immer nicht.)
    Zum Glück bewahrte mich etwas, das Dr. Who ›laterales Denken‹ nennt, vor der Auffassung, Die wahre Geschichte sei künstlerisch zum Scheitern verdammt. Hat man vor sich eine unersteigbare Klippe und ein unbezwingbares Ungeheuer hinter sich, verduftet man am besten zur Seite. Eingedenk dieser Maxime fragte ich mich nicht: »Was habe ich im Text falsch ausgeführt?«, sondern befaßte mich mit der Frage: »Wo habe ich bei meinen ursprünglichen Absichten einen Fehler gemacht?«
    Ja, wo hatte ich einen Fehler begangen? Wo sonst, wenn nicht dort? Die wahre Geschichte stützte sich auf lediglich eine Idee – dabei ist es so, wie ich es schon erwähnt habe: es beruht eine beträchtliche Anzahl meiner besten Geschichten nicht auf nur einer Idee, sondern auf zwei Ideen. Meine Probleme mit dem Buch entstammten dem Bedarf an einer zweiten Idee.
    Diese Geschichte allerdings habe ich verkehrt herum erzählt. Die wahre Geschichte war in Wirklichkeit nicht die erste, sondern die zweite Idee. Sobald ich sie mit einem anderen Einfall kombinierte, einer Idee, die ich schon seit zwanzig Jahren im Kopf hatte – einer aufregenden, mir nachhaltig gegenwärtigen, bis dahin aber völlig ungenutzt gebliebenen Idee –, da war ich zu guter Letzt auf meine Ölquelle gestoßen.
    In Wahrheit indessen beklagte Angus sich nie darüber, hereingelegt worden zu sein. Er erwähnte nie, es müßte beim Sicherheitsdienst einen Komplizen Nick Succorsos geben; er verteidigte sich in keinerlei Beziehung. Überwiegend zeigte er gar keine Reaktion auf seinen Niedergang. Nur als er erfuhr, daß die Strahlende Schönheit demontiert werden sollte, da heulte er viehisch, als litte er körperliche Schmerzen; aber er ließ Morn und Nick ihren Weg gehen. Zumindest soviel Rückgrat hatte Angus.
    Ungeachtet seines Grauens vor dem Eingesperrtsein verurteilte man ihn zur Haft bis ans Lebensende.
    So endet Die wahre Geschichte. Hier weist bestimmt nichts darauf hin, daß sich der vollständige Verlauf der Handlung über vier weitere Bücher erstrecken, oder darauf, daß er episch in Wagnerschem Sinn sein wird, so ehrgeizig angelegt, weitumfassend und eindringlich wie seinerzeit die CHRONIKEN VON THOMAS COVENANT DEM ZWEIFLER. Die Begründung ist, daß die eigentliche Anregung für das neue, fünfbändige Werk – den Amnion-Zyklus – eine Aufnahme von Richard Wagners Götterdämmerung gewesen ist; die wahre Entstehungsgeschichte des Amnion-Zyklus setzte schon im Herbst 1966 ein.
    Diese Aufnahme, die ich im September 1966 erwarb, war nicht meine erste Bekanntschaft mit Wagner, aber meine erste Begegnung mit seinem vierteiligen Opernzyklus Der Ring des Nibelungen, und sie bewog mich, mir so schnell, wie meine Finanzen es erlaubten (drei Jahre lang sparte ich jeden Penny), auch Aufzeichnungen der drei anderen Teile des Rings zu kaufen: Das Rheingold, Die Walküre und Siegfried. Innerhalb relativ kurzer Zeit war mir klar, daß ich mein musikalisches Alter ego entdeckt hatte, eine Art von transzendentalem Doppelgänger. Wagners Musik inspirierte mich. (In der Tat habe ich einige der literarischen Techniken für DIE CHRONIKEN VON THOMAS COVENANT DEM ZWEIFLER von der Weise abgeleitet, wie Wagner musikalische Ideen verwendete.) Und die Handlung des Rings – besonders der doppelte Höhepunkt, den Die Walküre und Siegfried bilden – wühlte mich ebenso tief wie jede packend geschriebene Geschichte auf, die ich je gelesen habe.
    Kaum hatte ich zu meiner Wertschätzung des Rings gefunden, faßte ich den ambitionierten Vorsatz, eine Folge von Romanen zu schreiben, die auf Wagners Epos basierten.
    Diese Absicht war nicht buchstäblich zu verstehen, sondern galt nur in konzeptioneller Hinsicht. Ich hatte kein Interesse, die Geschichte Wotans und seines unglücklichen Ringens um den Machterhalt der Götter – gegen den Druck der Riesen, Zwerge und der Menschheit – schlichtweg noch einmal zu erzählen. Vielmehr wollte ich etwas lediglich Vergleichbares schaffen, das mir die Möglichkeit bot, ähnliche Themen und ähnliche Nöte nach meinen Vorstellungen zu bearbeiten. Vor allem Wotan selbst faszinierte mich, der herausfindet, daß ein Verständnis der eigenen Macht in den Untergang dieser Macht, seiner selbst sowie all dessen, für das er steht, münden
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