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Amnion 1: Die wahre Geschichte

Amnion 1: Die wahre Geschichte

Titel: Amnion 1: Die wahre Geschichte
Autoren: Stephen R. Donaldson
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erklärten sich aus Neid und Mißgunst. Niemand konnte so begehrenswert wie Nick aussehen, ohne zu ein paar bissigen Bemerkungen Anlaß zu geben.
    Dagegen lautete die Wahrheit, daß jemand ihm diese Narben vor Jahren zugefügt hatte, und zwar beim einzigen Mal, daß er in schwere Bedrängnis geriet. Die Schnittwunden hatten ihn verunstalten, ein Zeichen der Verachtung für seine Aufsteigerarroganz sein sollen; die Frau, die ihn so zurichtete, hatte es nicht als der Mühe wert erachtet, ihn zu töten.
    Aber daraus hatte er gelernt. Er hatte gelernt, sich nicht mehr unterkriegen zu lassen; dafür zu sorgen, daß er nur noch Konflikte mit ungleichen Karten durchstehen mußte, bei denen alles zu seinen Gunsten sprach. Er hatte zu warten gelernt, bis er vollen Einfluß auf die Ereignisse ausüben konnte. Er orientierte sich am gesunden Menschenverstand.
    Später räumten Mitglieder seiner Crew ein, sie hätten seine Narben nie so dunkel wie in dem Moment werden sehen, als er Morn Hyland erblickte. Und ihrer bleichen Schönheit merkte man an, daß sie – aus Leidenschaft oder Verzweiflung – sofortige Sehnsucht nach ihm verspürte, plötzlich leuchteten ihre Augen, die in Angus Thermopyles Gegenwart stumpf blieben. Als Überraschung empfand man es lediglich, daß keiner von beiden, weder Morn noch Nick, irgend etwas unternahm. Die gegenseitige Anziehungskraft zwischen ihnen ließ sich dermaßen stark gewahren, daß keiner der Augenzeugen verwundert gewesen wäre, hätten Morn und Nick sich die Kleidung vom Leib gerissen und wären noch in der Bar übereinander hergefallen.
    Meistenteils hatten die Gäste keine Ahnung, was sie hinderte. Morn freilich bedeutete ein Rätsel. Aber wenigstens Nick sagte man keine Zurückhaltung nach.
    Doch fast zwei Wochen danach taten sie, was jeder erwartete. Als der Sicherheitsdienst der KombiMontan-Station bei Mallory hereinplatzte und Angus Thermopyle wegen eines hinlänglich ernsten Verbrechens festnahm, das sogar in der DelSek einer Verhaftung Erfolgsaussichten verlieh, sah man Morn Hyland auf einmal an Nicks Seite. Und ebenso unversehens verschwanden beide. Wollust und gesunder Menschenverstand. Die Gelüste des Fleisches trieben einen zum anderen; und Morn setzte sich im richtigen Moment von Angus ab.
    Sie und Nick verschwanden, lieferten den Kern für die Sorte von Geschichten, die Trinker und Träumer sich am frühen Standardmorgen der Station erzählten, wenn bei Mallory noch Ruhe herrschte, die dünnen Wände aus Metallegierung wirkten, als böten sie ausreichende Obhut gegen das feindselige Vakuum des Weltalls und den verführerischen Wahnsinn des Hyperspatiums.
    Die letzte Mitteilung, die man zu hören bekam, hatte zum Inhalt, daß Angus nach Verurteilung zu Lebenslänglich, wie vorausgesagt, im Stationsknast schmorte.
    Aber daraus bestand natürlich nicht die wahre Geschichte.

 
2
     
     
    Einige der Leute, die bei Mallory in der trüben Beleuchtung lungerten, wußten es besser. Es handelte sich um jene in den Winkeln, die weniger tranken, als sie den Eindruck machten, weniger rauchten, weniger redeten. Diese Menschen, die ihre Becher inmitten der Kondensation im Kreis schoben, die das Plastik ausschwitzte, weil in der DelSek die Klimatisierung nie so gut funktionierte, wie es hätte sein müssen, so daß man bei Mallory nicht ohne gehörig zu transpirieren hocken konnte, verstanden sich aufs Zuhören, sie hatten Übung im Fragenstellen, die Fähigkeit zu deuten, was sie sahen, und sie merkten, wann es sich lohnte, sich um zusätzliche Informationen an jemand anderes zu wenden.
    Mehrheitlich hatten sie ein etwas höheres Alter, benahmen sie sich weniger egozentrisch; vielleicht äußerten sie ihren Zynismus mit ein wenig scharfsinnigeren Worten. Sah man unter ihnen Piloten, hielten sie sich hier keineswegs auf, weil Suff oder Drogen, Inkompetenz oder Fehler sie um ihre Laufbahn gebracht hätten, sondern weil sie da die ihnen bekannte und verständliche Lebensweise fanden, den Lebensstil, den sie sich zu leisten vermochten. Waren es Kumpel, die keine Arbeit mehr bekamen oder gar keine mehr suchten, saßen sie in der Bar, um in der Nähe der Vorlieben und Träume des Prospektorentums zu sein, der Hoffnung auf den großen Fund, einer so gewaltigen, so puren Erzader, daß ihre Entdeckung jeden gewöhnlichen Reichtum übertraf. Befanden sich geborene oder eingebürgerte Stationsbewohner unter ihnen, durfte man ihrer Anwesenheit den Zweck unterstellen, der Kundschaft ihrer
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