Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
American Gods

American Gods

Titel: American Gods
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
Robbie«, sagte Shadow. »Sie haben mir erzählt, dass Laura tot ist. Sie lassen mich vorzeitig raus. Ich komme nach Hause.«
    Dann, weil die Leute gerne Fehler machen, wie er wohl wusste, rief er zu Hause an und lauschte Lauras Stimme.
    »Hi«, sagte sie. »Ich bin nicht da oder kann nicht ans Telefon kommen. Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht, dann rufe ich zurück. Und einen schönen Tag noch.«
    Shadow brachte es nicht über sich, eine Nachricht zu hinterlassen.
    Er saß auf einem Plastikstuhl in der Nähe seines Flugsteigs und hielt die Tasche so fest umklammert, dass die Hände schmerzten.
    Er dachte an das allererste Mal, als er Laura gesehen hatte. Damals kannte er nicht einmal ihren Namen. Sie war Audrey Burtons Freundin. Er hatte mit Robbie an einem Tisch im Chi-Chi’s gesessen, als Laura dicht hinter Audrey hereinspaziert kam, und Shadow hatte sich dabei ertappt, dass er sie anstarrte. Sie hatte langes, kastanienbraunes Haar und so blaue Augen, dass Shadow fälschlich glaubte, sie würde getönte Kontaktlinsen tragen. Sie hatte einen Erdbeer-Daiquiri bestellt und darauf bestanden, dass Shadow ihn probierte, und dann voller Freude gelacht, als Shadow ihrem Wunsch folgte.
    Laura ließ andere gerne von dem kosten, was sie bestellt hatte.
    Er hatte ihr an jenem Abend einen Gutenachtkuss gegeben, sie hatte nach Erdbeer-Daiquiri geschmeckt, und er hatte von da an nie wieder jemand anders küssen wollen.
    Eine Frau verkündete, dass sein Flugzeug nunmehr zum Starten bereit sei, und Shadows Reihe war die erste, die aufgerufen wurde. Er saß ganz hinten, der Platz neben ihm blieb leer. Der Regen prasselte stetig gegen die Flugzeugwand: Er stellte sich kleine Kinder vor, die aus vollen Händen getrocknete Erbsen vom Himmel schmissen.
    Als das Flugzeug abhob, schlief er ein.
    Shadow befand sich an einem dunklen Ort, und das Wesen, das ihn anstarrte, trug einen Büffelkopf mit vielen zotteligen Haaren und riesigen nassen Augen. Der Körper war der eines Menschen, glatt und glänzend.
    »Veränderungen stehen an«, sagte der Bison, ohne die Lippen zu bewegen. »Es gibt gewisse Entscheidungen, die getroffen werden müssen.«
    Der Widerschein von Flammen flackerte von nassen Höhlenwänden.
    »Wo bin ich?«, fragte Shadow.
    »In der Erde und unter der Erde«, sagte der Büffelmensch. »Du bist da, wo die Vergessenen warten.« Die Augen waren flüssige schwarze Murmeln, und die Stimme kam wie ein Grollen von unterhalb der Welt. Er roch nach nasser Kuh. »Glaube«, sagte die grollende Stimme. »Wenn du überleben willst, musst du glauben.«
    »Was glauben?«, fragte Shadow. »Was soll ich glauben?«
    Er starrte Shadow an, der Büffelmann, und richtete sich zu riesenhafter Größe auf, Feuer begann in den Augen zu lodern. Er öffnete das mit Speichel besprenkelte Bisonmaul, und darin war es rot von den Flammen, die in seinem Innern brannten, unter der Erde.
    »Alles« , donnerte der Büffelmensch.
    Die Welt kippelte und kreiste, und Shadow war zurück im Flugzeug, das Kippeln aber hielt an. Im vorderen Teil des Flugzeugs schrie eine Frau halbherzig auf.
    Blendende Blitze zuckten rings um das Flugzeug. Der Flugkapitän meldete sich über die Sprechanlage und teilte den Passagieren mit, dass er versuchen wolle, Höhe zu gewinnen, um dem Sturm aus dem Weg zu gehen.
    Das Flugzeug schaukelte und zitterte, und Shadow fragte sich, nüchtern und fast teilnahmslos, ob er wohl sterben würde. Es schien möglich zu sein, befand er, war aber kaum wahrscheinlich. Er blickte stumm aus dem Fenster und beobachtete, wie das Gewitter den Horizont erleuchtete.
    Dann döste er abermals ein und träumte, dass er wieder im Gefängnis sei, wo Low Key ihm in der Schlange vor der Essensausgabe zuflüsterte, dass jemand eine Belohnung auf sein Leben ausgesetzt habe, aber Shadow konnte nicht herausfinden, wer es war und aus welchem Grund; und als er wieder aufwachte, setzten sie gerade zur Landung an.
    Er stolperte aus dem Flugzeug und musste sich mit Macht in den Wachzustand blinzeln.
    Die Flughäfen, dachte er, sahen doch alle ziemlich gleich aus. Es kam eigentlich kaum darauf an, wo man war – man war halt in einem Flughafen: Fliesen und Gänge und Toiletten, Flugsteige und Zeitungskioske und Neonlichter. Der Flughafen hier sah aus wie ein Flughafen. Das Problem war nur, dass es nicht der Flughafen war, den er angesteuert hatte. Der Flughafen hier war groß, mit viel zu vielen Menschen und viel zu vielen Flugsteigen.
    »Entschuldigen Sie,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher