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Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
Autoren: Hanna Molden
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Amelies Augen zu Boden ging.
    Sie starrte auf die Dinger. Wortlos. Wie erstarrt. Sie waren schwarz. Grün umrandet. Sie beugte sich etwas vor, um zu sehen, ob auch das Wappen vorhanden war. Es war.
    Die gleichen Gamaschen, die sie vor eineinhalb Jahren im Waschküchenfeuer der Josefine Zadrazil verbrannt hatte!
    Daniel bückte sich, um die Gamaschen aufzuheben, als sein Blick auf Amelie fiel. »Fehlt dir etwas, du bist ganz blass?«, fragte er besorgt.
    Sie deutete auf die schwarzen Schuhschützer. »Wo kommen die her, wieso sind die hier?«, sagte sie barsch.
    »Wo sollten sie sonst sein?« Als er merkte, dass es der Anblick der Gamaschen war, der sie verstörte, versuchte er zu scherzen. »Hör zu, Liebling, die Dinger beißen nicht, sie gehören sozusagen zur Familie.« Amelie fuhr fort, die Gamaschen anzustarren, als wären sie eine Ausgeburt ihrer Phantasie.
    »Amelie, hörst du mir zu?« Daniel hob die Gamaschen auf und betrachtete sie interessiert, als könnten sie ihm sagen, was an ihnen seine Frau aus der Fassung brachte. »Es sind Relikte aus der Zeit August des Gründers. Er hat sie in den fetten Jahren zu Dutzenden für die Dienerschaft anfertigen lassen. Als sein Vermögen tschari ging, blieb nichts als die Gamaschen, die keiner wollte.«
    Amelie hörte nicht auf, sie anzustarren. »Aber wieso sind sie hier, auf dem Dachboden von Leopolds Jagdhütte?«, wiederholte sie, diesmal mit ganz kleiner Stimme.
    Langsam verlor Daniel die Geduld. »Mach kein Theater wegen eines Paars Gamaschen, mein Herz«, sagte er entschieden. »Sie sind, wo Bartenbergs sind. Außer ihnen haben Augusts Kinder nichts geerbt. Die allerdings haufenweise. Du findest sie bei Leopold in Wien, du findest sie hier…«
    Amelie nahm ihm eine der Gamaschen aus der Hand, drehte und wendete sie zwischen ihren Fingern und fragte: »Wer zieht so etwas an?«
    »Zum Beispiel ich. Demnächst. Weil ich an die Luft will.« Daniel setzte sich auf die Ofenbank, nahm Amelie die Gamasche aus der Hand und begann sie über seinem Schuh zu befestigen.
    »Hast du sie schon früher einmal getragen?« Amelies Stimme klang flach.
    »Nicht, dass ich wüßte«, antwortete Daniel. Er mühte sich, eines der Dinger über seinen rechten Schuh zu ziehen, und als es ihm gelungen war, prüfte er zufrieden seinen Sitz und griff nach dem zweiten.
    »Halt, doch!«, korrigierte er sich. »Es ist schon eine Weile her…« Er beugte sich vornüber, seine Stimme klang jetzt dumpfer. »Ich hatte mir beim Boxtraining den Knöchel verstaucht, und der schwoll derart an, dass ich kaum in einen Schuh kam. Von Zubinden keine Rede.«
    Daniel richtete sich auf, sah nach draußen und seufzte. »Schau dir das an, es regnet noch immer.«
    Er stand auf, nahm den Lodenumhang und warf ihn um die Schultern. Es war still in der Hütte. Nur das Trommeln des Regens auf dem Dach war zu hören.
    »Jetzt fällt’s mir wieder ein«, unterbrach Daniel die Stille und schien erfreut, dass es ihm eingefallen war. »Ich musste damals zu einer Besprechung ins Bundeskanzleramt. Undenkbar mit offenen Latschen.« Er grinste vergnügt. »Die Gamaschen waren Leopolds Idee. Er wusste, dass sie irgendwo in den Innereien des Bartenberghauses lagerten und buddelte sie aus. In meiner Not zog ich sie über. Und landete damit einen beachtlichen Erfolg bei den Beamten im BKA.«
    Er wandte sich um, streckte die Arme aus und versuchte Amelie an sich zu ziehen. Sie stemmte die Arme gegen seine Brust und starrte auf seine Halsgrube während sie fragte: »Kannst du dich erinnern, wann das war?«
    Daniel scherte sich nicht um ihren Widerstand. Er holte sie dicht an sich heran, drückte sie an seine federnde Brust und murmelte in ihr Haar: »Was weiß denn ich, mein Herz, ist doch egal. Ich glaube, es war Ende Oktober, bald zwei Jahre her, es gab Regen und Sturm, ein unbeschreibliches Sauwetter, ich bekam kein Taxi und ging zu Fuß über den Ballhausplatz und wurde von einer pudelnassen Frau gerammt, die mit ihrem Regenschirm kämpfte…« Er schwieg, als wollte er sich den Augenblick in Erinnerung rufen, seine Finger glitten zärtlich über Amelies Nacken, dann lachte er leise in sich hinein und flüsterte dicht an ihr Ohr: »Sie hat übrigens ganz besonders gut gerochen, diese Frau. Ich habe ihren Geruch lang nicht vergessen…« Seine Lippen glitten über Amelies Schläfen, er schnupperte an ihrem Haaransatz, hielt inne und raunte versonnen, »eigenartig, sie roch ein wenig wie du.«

Glossar einiger Ausdrücke des
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