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Amelia Peabody 03: Der Mumienschrein

Titel: Amelia Peabody 03: Der Mumienschrein
Autoren: Elizabeth Peters
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versehenen Balkon hatte man einen herrlichen Blick über den Esbekija-Park, wo die Mimosenbäume in voller Blüte standen. Aber meine Augen wanderten weiter über die Dächer, die Kuppeln und Minarette.
    Emerson seufzte aus tiefstem Herzen und zog Ramses an seine andere Seite. Ich spürte, wie stolz und glücklich er war, daß er seinem Sohn zeigen konnte, was für ihn das wirkliche Leben war. Doch noch bevor der Augenblick allzu feierlich werden konnte, jagte Ramses uns einen gehörigen Schrecken ein, als er blitzschnell auf das Geländer kletterte, um besser sehen zu können. Doch als er zu schwanken begann, hatte Emerson ihn schon fest im Griff.
    »Das war unvorsichtig, mein Sohn«, sagte er ganz ruhig. »Laß dich von mir festhalten.«
    Voller Verachtung für so viel menschliche Unzulänglichkeit nahm Bastet den Platz unseres Sohnes ein, während wir gebannt das vielfältige Leben auf der Straße unter uns beobachteten, zusahen, wie die Händler und Eselsvermieter die Fremden, die im Hotel aus und ein gingen, förmlich belagerten, mit lautstarken Angeboten sich gegenseitig übertönten und um die Gunst der Fremden feilschten. Ramses war von dem Anblick fasziniert, und das kleine Lächeln in seinen Mundwinkeln bedeutete, daß er sehr konzentriert beobachtete und Gefallen daran fand.
     
    Zum Abendessen waren wir mit einem alten Beduinenfreund, dem Scheich Mohammed Bahsoor, verabredet. Wir hatten beschlossen, Ramses mitzunehmen, weil wir ihn unmöglich dem geschwächten John überlassen konnten, aber meine Befürchtungen in bezug auf sein Benehmen wurden angenehm enttäuscht. Der alte Mann begrüßte Ramses mit der ausgesuchten Höflichkeit dieses Wüstenvolkes, und mein Sohn saß musterhaft still und redete fast überhaupt nicht.
    Ich war die einzige Frau in der Runde, obwohl der Scheich im allgemeinen nur mit Männern speiste. »Mit Frauen kann man sich nicht über ernste Probleme unterhalten«, pflegte er zu behaupten. Ich muß nicht betonen, daß ich mich sehr geehrt fühlte, daß er mich offenbar von dieser Verleumdung ausnahm, und ich glaubte sogar, daß ihm mein leidenschaftliches Plädoyer für das weibliche Geschlecht, das ich bei solcher Gelegenheit hielt, imponiert hat.
    Das Treffen hatte fast internationalen Charakter. Außer einigen Ägyptern war auch Mr. Naville, ein Archäologe aus der Schweiz, eingeladen, außerdem Mr. Insinger, ein Holländer, und Mr. Navilles junger, begabter Assistent namens Howard Carter. Ein Gast fiel gänzlich aus dem Rahmen. Er war mittelgroß, wirkte aber größer, weil alles an ihm unglaublich schmal war. Dafür prangten Diamanten an seinem Hemd und seinen Manschetten, und quer über die Brust lief das scharlachrote Band irgendeines ausländischen Ordens. Sein kurzes Haar war, ebenso wie sein Schnurrbart, ekelerregend pomadisiert, und vor seinem rechten Auge klemmte ein Monokel, das das Gesicht zu einer schiefen Grimasse verzerrte.
    Als Emerson ihn erblickte, brummte er, war aber zu höflich, um vor dem Scheich eine Szene zu machen. Als sein Gastgeber ihm >Prinz Kalenischeff< vorstellte, zwang sich mein Mann zu einem höflichen Lächeln und sagte nur: »Ich kenne den – hm – den Herrn bereits.«
    Ich hatte ihn zwar noch nicht getroffen, aber schon viel von ihm gehört. Als er sich über meine Hand beugte und sie länger als nötig festhielt, fielen mir Emersons kritische Bemerkungen wieder ein. »Er hat zusammen mit Amelineau in Abydos gearbeitet, aber frage mich nicht, welches Chaos sie dort angerichtet haben. Er bezeichnet sich zwar als Archäologen, aber wenn das stimmt, bin ich die Kaiserin von China!« Da Emerson alle Kollegen sehr kritisch beurteilte, habe ich ihn damals nicht ganz ernst genommen, aber ich muß zugeben, daß diese dunklen, etwas dreist blickenden Augen und das aalglatte Lächeln des Prinzen keinen guten Eindruck auf mich machten.
    Der größte Teil der Unterhaltung beschäftigte sich mit archäologischen Problemen und dabei besonders mit dem geplanten Nildamm bei Philae, der mit den ursprünglich festgesetzten Ausmaßen die Tempel aus ptolemäischer Zeit unter Wasser gesetzt hätte. Nach Emersons Meinung konnte man das getrost riskieren, denn er hielt die Tempel nicht unbedingt für erhaltenswert, auch wenn sie noch ihre ursprüngliche Bemalung aufwiesen. Nach einigem Hin und Her unterschrieb er aber trotzdem den Appell, den Damm niedriger zu bauen und damit die Tempel zu schonen.
    Als Mr. Naville Emerson in aller Unschuld fragte, wo er in diesem
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