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Ambra

Ambra

Titel: Ambra
Autoren: Sabrina Janesch
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Boot geraten; Bronka war die ganze Zeit damit beschäftigt, Häppchen und Getränke bereitzustellen, und ihre Verwandten, die man ebenfalls eingeladen hatte, waren in ein Gespräch über die fehlende Anbindung der Vorstädte vertieft.
    Und so war es einmal mehr an Kröger gewesen, sich mit Brunon und den Damen zu unterhalten. Kinga drehte missmutig ihren Kopf zum Wasser, als Kröger versuchte, sie mit einzubeziehen. Auf die Frage, wie es ihr in den letzten Tagen ergangen war, reagierte sie nicht, sondern zuckte nur kurz mit den Schultern.
    Ohne das Wasser berühren zu können, ließ Kinga ihre Arme an der Reling hinunterhängen und blickte nur dann auf, wenn sie Renia lachen hörte. Außer ihr stellte übrigens kaum jemand die Verbindung zwischen ihr und Bartosz in Frage. Gegensätze ziehen sich an und so weiter, das kannte man alles, und etwas eigen waren sie ja beide, da hatten sich zwei gefunden, und am Ende war sogar Bronka froh, dass es jemanden gab, der ihren Sohn besser ertragen konnte als sie selber.
    Als sich das Boot endlich in die Umarmung der Flussmündunghineinbegab, sanfte, bewaldete Hügel zu beiden Seiten, hätte niemand geglaubt, dass an diesem Ort Schreckliches geschehen konnte – weder das, was an der Bord der Albatros später geschehen sollte, noch die Tatsache, dass vor sechzig Jahren das deutsche Reich hier seinen Krieg begann, mit Schiffen und Flugzeugen gegen ein paar verbarrikadierte polnische Soldaten, und das in aller Herrgottsfrühe. Man schlug sich heldenhaft, und so dauerte es, bis sich die Katastrophe über sie hinwegschob, es dauerte und dauerte auch an Bord der Albatros, denn man war zivilisiert und ertrug seine Gäste auch dann, wenn sie sich stritten oder darüber beschwerten, dass es nichts Vegetarisches zu essen gab oder dass man besser woanders hätte hinsegeln sollen.
    An der Hafenseite dümpelten ein paar graue Schiffe der polnischen Marine. Am Ufer grünte der Rasen, und hinter einem Wäldchen erkannte man schemenhaft die alten Bunkeranlagen. Ein paar Möwen saßen auf den Masten und kreischten, als die Albatros vorbeiglitt, vielleicht auch deshalb, weil sich Brunon weit hinausbeugte, um bessere Aufnahmen von den Schiffen machen zu können. Die restlichen Gäste betrachteten milde desinteressiert den Klotz, der auf der Spitze eines kleinen Hügels prangte und an den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erinnern sollte.
    Kinga, die sich die meiste Zeit am Krimsekt festgehalten hatte – am Anfang saß sie aus Befangenheit wie festgenagelt auf ihrem Stuhl, später aus Sorge um das Gleichgewicht –, stand nun, da man das Tempo gedrosselt hatte, auf und beschwerte sich über die Unförmigkeit öffentlicher Denk- und Mahnmale. Speziell dieses unästhetische Exemplar, sagte sie, an Brunon gewandt, würde bei ihr Migräne auslösen. Und das an so einemschönen Ort: Da hinten seien doch Sandstrände, wo man baden, und Felsen, zwischen denen man ein Feuerchen machen und ein bisschen Suppe warm machen könnte. Brunon schüttelte entschieden den Kopf: Er selber würde sich die Bunker anschauen.
Und
das Denkmal, völlig egal, was sie, Kinga, davon halte. Schließlich habe hier die größte Katastrophe der Neuzeit ihren Anfang genommen, auf die jeder Pole dieser Welt liebend gerne verzichtet hätte.
     
    Dann aber der Streit, Kingas Zorn, der Windstoß, das Erbrechen. Als Bartosz sich wieder beruhigt und mit Renias Hilfe aufgerichtet hatte, drehte er sich zu Kinga um und sagte: Runter.
    Wie bitte? Kinga schien nicht ganz zu verstehen.
    Von Bord. Michaƚ, leg da vorne an. Bei den Steinen. Wir schmeißen sie raus. Danach fahren wir nach Hause.
    Michaƚ zögerte einen Moment, dann hielt er auf das Ufer zu. Die Gäste begannen, untereinander zu tuscheln, Bronka protestierte laut, aber Bartosz ignorierte sie und ihre Versuche, ihn zu beschwichtigen.
    Albina und Renia schickten abwechselnd mal verwirrte, mal zornige Blicke zu Kinga, die regungslos an der Reling lehnte und ihr Gesicht der Sonne entgegenhielt, die Augen geschlossen. Kröger ging an ihr vorbei und flüsterte ihr zu, was für ein Trottel sie doch sei, alles verdorben habe sie. Die Situation sei für Brunon und Bronka außerordentlich unangenehm. Jemanden auszusetzen, noch dazu am eigenen Geburtstag, wegen irgendeines lächerlichen Streits … Brunon versuchte die Gäste zu beruhigen. Die Situation würde sich sicherlich gleich entspannen, das müsse man doch ausnutzen, wenn man schon einmal hier sei, und das Wetter sei soschön und
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