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Ambra

Ambra

Titel: Ambra
Autoren: Sabrina Janesch
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den es überhaupt nicht gehörte – der Jarzèbiński, der gehörte doch
auf den sandigen Boden der polnischen Küste, aber nicht hierher, und auch wenn sein Körper längst zu Hause begraben und verrottet sein wird, wird für immer ein Stück von ihm in der Wüste zurückbleiben, die Juden glauben doch so etwas, die Seele steckt im Blut und so weiter, und wenn das so ist, dann hat Jarzèbiński die ganze christliche Zeremonie auf seiner Beerdigung nichts genützt, denn seine Seele geht mit den Sandstürmen, und wer ihn jemals erlösen wird, das weiß kein Mensch, jedenfalls nicht ich. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass es meine Kugel war, die Jarzèbiński getötet hat, die und keine andere, und ich verfluche den Moment, in dem ich geschossen habe, aber wie gesagt, wer rechnet denn damit, dass jemand während eines Schusswechsels aufsteht, doch niemand, der ganz bei Sinnen ist.
     
    Ich wandte mich von Bartosz ab, sah ein paar Fischen im Wasser nach. Diskret wischte ich eine Träne fort, die gerade meine Nase hinablief. Als Kröger sah, dass mit mir etwas nicht stimmte, fragte er allen Ernstes, ob ich eigentlich ein Problem damit hätte, dass Renia und Bartosz ein Paar wären. Ich wirke immer so gereizt, wenn ich mit den beiden zusammen sei, ob das nur sein eigener Eindruck sei?
    Allerdings ist das nur dein Eindruck, sagte ich und drehte mich um. Dann fragte ich ihn auf Deutsch, was zum Kuckuck er eigentlich wolle. Den Ausflug verderben?
    Bartosz gab sich einen Ruck, zog mich beiseite und sagte, ich solle mich nicht aufregen, ich wisse doch, wie er sei, ein alter Provokateur, und so ganz unrecht habe er ja auch nicht. Sie alle wüssten doch, dass ich manchmal etwas schwierig sei. Das sei doch keine Schande … Erselber, Bartosz, sei schließlich auch kein leichter Fall. Wahrscheinlich liege das in der Familie.
    Die Liebe – Kröger drehte das Glas in seinen Händen und schaute mich dabei prüfend an –, ist sie nicht wunderbar? Dem einen gibt sie, dem anderen nimmt sie. Aber man muss sich ja immer freuen. Nicht wahr, Kinga?
    Lächelnd ging er mit seinem Glas davon.
    Netter Zug von dir, das mit der Wohnung, sagte Bartosz. Endlich mal gute Nachrichten.
    Meine Hände waren noch immer ölig von der Sonnencreme, ich wischte sie mir an den Oberschenkeln ab. Hör mal, das mit Rokas –
    Ich will nicht darüber reden. Bartosz schob seine Sonnenbrille hoch, Renia tat unterdessen so, als überhörte sie unser Gespräch.
    Ich aber. Das mit Rokas wäre dir genauso passiert. Du kanntest ihn doch auch. Hättest ihm auch vertraut. Was passiert ist, tut mir leid. Aber es war nicht meine Schuld.
    Ich wünschte, es wäre so. Ein bitterer Zug um seine Mundwinkel herum tauchte auf, und ich beschloss, die Diskussion zu beenden.
    Schön jedenfalls, dass es dir wieder gut genug geht, bei einem Ausflug mitzumachen, antwortete ich. In die Sommerfrische. Bestimmt ein bisschen wie in den Süden zu fliegen, oder? Nur, dass am Ende keiner stirbt.
    Mit einem Ruck fegte Bartosz die Sonnencreme von der Reling, Renia fuhr zusammen und sah mich flehentlich an. Bartosz’ Mundwinkel zuckten, als er sagte, dass es mir doch in Wirklichkeit immer egal gewesen sei, wie es ihm gehe, dass ich mich nur für meine Freizeit und mein Vergnügen interessiert hätte, und das war der Moment, der das Fass zum Überlaufen brachte. Mir schossen tausend mögliche Antworten auf seine Frechheitdurch den Kopf, mit solch einer Geschwindigkeit, dass ich nur die dümmste von allen hervorbringen konnte.
    Weißt du, was du bist?, fragte ich. Ein Arschloch.
     

    Weißt du, was du bist?, fragte Kinga. Ein Mörder.
    Bartosz’ Blick kehrte sich für einen Moment nach innen, dann schwankte sein Oberkörper nach vorne, und mit einem kräftigen blassrosa Schwall erbrach er sich auf das Deck. Bronka rief laut um Hilfe, sie hatte als Erste bemerkt, dass hinten im Heck etwas nicht stimmte.
    Kinga, die kühle, fast krankhaft bleiche Kinga stand vor Bartosz und runzelte die Stirn. Die Arme vor ihrer Brust verschränkt, sah sie an ihm vorbei auf Kröger, der seinen Kopf schüttelte und ihr diskret einen Vogel zeigte. Niemand hatte genau gehört, was Kinga wirklich gesagt hatte, aber Kröger, der sich in Kingas Nähe aufhielt, schon.
    Bartosz hatte es zu Boden geschmettert. Gegen die Reling gelehnt, saß er neben seinem Erbrochenen und ließ sich von Renia den Mund abwischen. Ein perfider Zug war das von Kinga gewesen, einer, der mitten in die Wunde traf und ihre Ränder dabei
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