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Ambra

Ambra

Titel: Ambra
Autoren: Sabrina Janesch
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Freunden, oder als würde sich ein richtiger Mann nur bei anderen Männern aufhalten, auf keinen Fall aber in weiblicher Gesellschaft. Dabei war Renia immerhin seine Freundin, das war sie doch, davon ging ich aus, auch wenn ich mich nie getraut hatte zu fragen.
    Die Uferpromenade zog an uns vorbei, die kleinen Restaurants, die bunten Häuserfassaden und die Touristen, die am Geländer standen, Fotos von uns machten und herüberwinkten. Bronka und Brunon, die es sich auf ein paar Stühlen an Deck bequem gemacht hatten, winkten zurück und prosteten ihnen zu. Gesundheit,rief Brunon immer wieder, Gesundheit! Die Touristen lachten. In der Tat schien Brunon die Rückkehr der Wärme gutgetan zu haben, er hatte zugenommen, und vom Krimsekt breitete sich ein rosiger Schimmer auf seinen Wangen aus.
    Nicht wahr, Kinga, hatte er mich an seinem Namenstag gefragt, welche junge Frau würde schon davon ausgehen, dass sie es mit einem über Fünfzigjährigen zu tun hat? Eifrig hatte ich genickt, wohlwissend, dass Brunon längst über sechzig war.
    Allen Gästen wurde nachgeschenkt, dann gruppierte man sich um mich, so gut es ging, und begann, ein Geburtstagslied zu singen,
Sto lat, sto lat, niech żyje żyje nam …
    Dann erklang ein leises Klirren, und alle schauten zu Brunon, der sich vor einem verhüllten Tischchen positioniert hatte und mich zu sich bat. Ich stellte mich neben ihn und nahm seine Hand. Ganz rau und schwer fühlte sie sich an, kurz überlegte ich, ob sich Emmerichs Hände so ähnlich angefühlt hatten.
    Ja, also, sagte Brunon und räusperte sich, Kinga, wir hoffen, dass dir unser kleiner Ausflug gefallen wird. Wir freuen uns nämlich sehr, dass wir heute alle hier sind, zusammen mit dir. Noch vor ein paar Monaten hätte ich das niemals geglaubt. Aber es ist geschehen, und das ist fast so etwas wie ein Wunder. Die vergangene Zeit war nicht leicht – er schwieg für einen Moment und blickte zu Bartosz, der geschäftig ein Stück Tau untersuchte –, und wir danken dir für deine Geduld. Trotz allem, was geschehen ist. Für heute wollen wir alle Sorgen vergessen. Auf dein Wohl, Kinga Mysza!
    Ich stieß mit ihm an und dankte allen für ihr Kommen, auch unbekannterweise. Brunon wollte sich wiederauf seinen Stuhl gleiten lassen, aber ich hielt ihn an seinem Ärmel zurück.
    Tatsächlich gibt es noch etwas zu feiern, sagte ich. Was für unsere Familie über Jahrzehnte wie ein Fluch gewesen sein mag, war am Ende doch ein Segen. Die Wohnung, um die es mal lauten, mal leisen Streit gab, hat mich doch in diese Stadt geführt, und damit in eure Arme. Von nun an soll sie euch allein gehören. Damit …
    Brunon schmiss sein Glas über Bord und riss mich in seine Arme. Die Gäste applaudierten.
    … damit entspreche ich dem Wunsch meines Vaters. Aber auch meinem eigenen. Ihr seid zu meiner Familie geworden.
    Auch Bronka umarmte mich gerührt, und Bartosz nickte mir zu und erhob sein Glas. Der Applaus ließ nach, aber noch immer waren alle Blicke gebannt auf mich gerichtet, und so fügte ich hinzu, dass zur Familie immer auch die Menschen zählten, die man sich selber, freiwillig also, ausgesucht habe, und über deren Anwesenheit ich mich mindestens genauso freute: Albina, Renia, die Menschen, die mich als Erste in dieser Stadt aufgenommen hätten, so sei es gewesen, und die mich nicht verstoßen hätten, als sie hörten, wer ich war und was ich wollte. (Albina wischte sich eine Träne fort. Sie trug eine riesige Sonnenbrille, aber man sah es trotzdem.) Auch wenn nicht alles ganz so gelaufen sei, wie man sich das vorgestellt hatte – Bartosz nahm wieder das Tau –, sei ich überzeugt, alles würde gut ausgehen, alles, und dann wusste ich nicht weiter und nahm einen Schluck aus meinem Glas.
    Bronka klatschte geistesgegenwärtig in die Hände: Dann ist das Buffet ja wohl eröffnet!
    Vorsichtig zog sie das Tuch vom Tisch, und zum Vorscheinkamen über ein Dutzend Schüsseln mit Salaten, Nudeln, Saucen und Fischhappen, mit geschmierten Brötchen, Bouletten und mehreren Kuchenplatten.
    Was meinst du, wirst du davon satt? Sie schaute mich mit großen Augen an. Alles lachte.
     
    Schon bald ließen wir die Stadt hinter uns. Das Boot schaukelte an Feldern und Wäldchen vorbei, und an Bord hatten sich kleine Gesprächs- und Interessengruppen gebildet, unter anderem zum Thema Motorboote, selbstbräunende Körpercremes, gekochte Würstchen und den Krieg in Afghanistan. Brunon unterhielt sich mit dem älteren Ehepaar, Albina flirtete mit
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