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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey
Autoren: Jack Womack
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Er lag weitäugig da. Seit einiger Zeit halbschlief er manche Nächte nur, wand sich in ungeträumten Träumen und war morgens erinnerungslos.
    »Ich habe Unverzeichliches getan«, sagte ich. »Ich habe.«
    »Du warst nicht darauf trainiert, nicht einmal straßenmäßig …«
    »Nein, John. Mit dir, meine ich.«
    »Nicht der Rede«, sagte er; ich starrte seinen Rücken an. »Unverdiente Schuld narbt Geist und Seele, Iz. Nimm nie grundlos Schuld an.«
    »Du machst es ständig«, sagte ich.
    »Grundlos war gesagt.«
    »Du lügsprichst«, sagte ich seufzend. »Veränderlos.« Ich arrangierte mich wieder auf meinem Platz neben ihm, berührte seine Haut. Er zitterte immer noch, und ich fragte mich, ob dies eine bislang unbekannte Nebenwirkung war. »Wie auch immer, John. Liebe; Du bringst mich um.«
    »Niemals ! « rief er und richtete sich auf, als wollte er mich schlagen. »Niemals. Nicht erlaubt.«
    »Nicht buchstäblich, John. Misinterpretation. Ich werde demetafizieren …«
    »Niemals weh tun«, sagte er. »Nicht dir«, fügte er hinzu. »Niemandem«, seufzte er.
    »Du gibst dich auf, John«, sagte ich. »Und mich. Ohne deine Schuld …«
    »Mit Schuld.«
    »Nein. Oh, John. Es tut weh …«
    »Gegenseitig«, flüsterte er, »besser ungesagt.«
    »Je weniger gesagt, desto mehr gewußt.«
    »Drüben«, sagte er. »Veränderung wird uns guttun, wie schon einmal. Ich weiß, daß es drüben so sein wird.«
    »So gehofft«, sagte ich. Ich drückte mich enger an ihn und spürte ihn warm. Wieder sah ich das Schimmern, unsere hellen Reflexionen und den Hitzeschein über dem Highway. Ich stellte mir für einen Moment vor, daß Gottheit unsere Gebete erhörte. Er regte sich, als wollte er sich mir zuwenden. Doch plötzlich langte er nach unten und verzerrte sein Gesicht, als wäre er auf einmal Hundertjahre alt.
    »Was tut weh, John?« fragte ich. »Was …?«
    »Bein …!«
    Er schlug das feuchte Laken seitwärts und hämmerte mit der Faust auf sein Knie, um das Gelenk zu rearrangieren. Seit der neunten Operation funktionierten die Implantate nicht mehr und reagierten selten wie gewünscht, wie sehr er sich auch auf die Steuerung konzentrierte. Wächter mußten immer wieder rearrangiert werden; Künstlichkeiten hatten ihre Vorzüge, doch Permanenz gehörte nicht dazu. Johns angefügtes Bein würde noch mehrere Monate problemlos hinreichen, doch dann trocknete die Flüssigkeit, die Markkanäle blasten, und die Kabel knoteten. Dann würde er wieder in die Klinik humpeln und die unausweichlichen Schmerzen der unvermeidlichen Alterung erfahren. Er wurde wieder still, drückte sein Gesicht in das Kissen und atemkeuchte.
    »Alles in Ordnung?« fragte ich. Er nickte. »Ich liebe dich, tut mir leid.«
    »Liebe?«
    »Manchmal«, sagte ich.
    Seine Mundwinkel klappten nach unten. »Bekannt«, sagte er. »Verstanden. Ich liebe auch. Zuviel beinhaltet. Zuviel zu ertragen.«
    »Zuviel unausdrückbar?«
    Er nickte. »Vergeudung manchmal unvermeidlich. Schmerzen, wenn Schmerzen vermieden werden sollen, unvermeidlich«, sagte er. »Ergo innere Implosion. Besser, weil sicherer.«
    Wir hatten eine Freundin in der Handelsabteilung.; nach der Graduierung wurden ihr Fingerschneiden implantiert, die auf Befehl unter den Nägel hervorkamen und mit denen sie im Nahkampf arbeiten konnte. Eines Tages, als sie gerade Käse für das Abendessen rieb, kamen sie unerwartet hervor und blieben in Position. Damals, während ihrer aktiven Zeit, wurde diese Ausrüstung noch direkt in die Knochen implantiert; nur eine Amputation hätte sie von ihren überflüssigen Messern befreien können. Trotzdem hielt Dryco sie für besondere Aufgaben unverzichtbar. Mit der Zeit kam sie wieder mit Tätigkeiten wie dem Drehen eines Türknaufs zurecht. In der Reoptimierungs-Lektion sah sie ihre unvermeidliche Veraltung voraus. Das Edikt ging vorbei, eine Woche ging vorbei, und dann lag sie volluniformiert in ihrer Wanne. Dort mußte sie nach einer Zeitlang Bewegungen ausgeführt haben, als wollte sie ihren Kragen zurechtrücken. John hatte sie einst geliebt, vor unserer Zusammenkunft. Ich hatte nie geeifersüchtet. Liebe war Liebe, wie manifest auch immer.
    »John …«
    »Es wird uns erneuern. Ich werde beispielhaft sein und vor Schaden schützen. Drüben wird die Veränderung einsetzen«, sagte er. Ich hielt mich an seinem Schimmern fest, voller Angst – ungeachtet seiner Worte –, daß er für uns beide verloren war, wenn nicht bis Zeitende, so zumindest für die
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