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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts
Autoren: Roger Zelazny
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getrennt hatten. Ich kannte ihn vom Sehen - er war ein bärtiger dünner Intellektueller mit dicken Brillengläsern und so weiter. Er war Leiter einer Bücherei, in der ich schon ein- oder zweimal gewesen war. Darüber hinaus kannte ich ihn jedoch nicht. Vielleicht würde er mir etwas über die Karten und darüber sagen können, wie Julia möglicherweise in eine wie auch immer geartete Situation geraten war, die sie mit dem Leben bezahlt hatte.
    Ich grübelte noch eine Weile, dann packte ich die Karten weg. Ich hatte keine Lust, mich noch länger damit abzugeben. Jedenfalls nicht jetzt. Zunächst wollte ich so viele Informationen sammeln, wie ich nur bekommen konnte.
    Ich kehrte zum Auto zurück. Auf dem Weg dorthin überlegte ich, daß der 30. April ja noch nicht vorüber war. Angenommen, S hatte mit der Begegnung von heute morgen direkt auf mich gezielt? In diesem Fall hatte er noch reichlich Zeit für einen weiteren Versuch. Ich hatte überdies das Gefühl, daß S ungeachtet des Datums mir an die Kehle gehen würde, sobald ich mich näherte und ihm die Gelegenheit dazu böte. Ich beschloß, von nun an niemals mehr in meiner Achtsamkeit nachzulassen und in einer Art Belagerungszustand zu leben, bis diese Angelegenheit geregelt wäre. Mein Wohlbefinden verlangte offenbar die Vernichtung meines Feindes, und zwar bald.
    Sollte ich jemanden um Rat fragen? überlegte ich. Und wenn ja, wen? Es gab noch so schrecklich viel über mein Erbe in Erfahrung zu bringen...
    Nein. Noch nicht, entschied ich. Ich mußte mich mit aller Kraft bemühen, mit den Dingen allein fertigzuwerden. Von Westen her wurden einige Wolken herangetrieben. Meine Armbanduhr tickte am Handgelenk, neben der unsichtbaren Frakir. Die Nachrichten im Radio waren international und unerfreulich.
    Ich hielt an einem Drugstore an und versuchte am dortigen Telefon, Luke in seinem Motel zu erreichen. Er war nicht da. Also nahm ich in der Imbißecke einen Sandwich und ein Milchmixgetränk zu mir und versuchte es danach noch einmal. Er war immer noch nicht da.
    Okay. Später würde ich ihn abholen. Ich machte mich auf den Weg in die Stadt. Futterkrippe, so erinnerte ich mich, war der Name der Bücherei, in der Rick arbeitete.
    Ich fuhr hin und sah, daß der Laden geöffnet war. Ich stellte den Wagen ein paar Blocks weiter ab und ging zu Fuß zurück. Ich war während der ganzen Strecke durch die Stadt aufmerksam gewesen, doch mir waren keine Anzeichen einer Verfolgung aufgefallen.
    Eine kühle Brise strich beim Gehen über mich und trug die Andeutung von Regen mit sich. Ich sah Rick durch das Schaufenster; er saß an seiner hohen Theke und las ein Buch. Außer ihm war im ganzen Laden niemand zu sehen.
    Bei meinem Eintreten klingelte ein kleines Glöckchen über der Tür, und ich blickte nach oben. Er straffte sich und musterte mich mit großen Augen, während ich mich ihm näherte.
    »Hallo«, sagte ich und blieb kurz stehen. »Rick, ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst.«
    »Du bist Merle Corey«, stellte er leise fest.
    »Richtig.« Ich lehnte mich an die Theke, und er wich zurück. »Ich dachte, du könntest mir vielleicht mit einer kleinen Information behilflich sein.«
    »Was willst du wissen?«
    »Es geht um Julia«, sagte ich.
    »Hör zu«, entgegnete er. »Ich bin ihr kein einziges Mal nahegekommen, bevor ihr euch getrennt habt.«
    »Wie? Nein, nein, du verstehst nicht. Das ist mir gleichgültig. Es sind neuere Informationen, die ich brauche. Letzte Woche hat sie versucht, Kontakt zu mir aufzunehmen, und...«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich habe seit einigen Monaten nichts mehr von ihr gehört.«
    »Ach?«
    »Ja, wir haben uns nicht mehr gesehen. Unterschiedliche Interessen, verstehst du?«
    »Ging es ihr gut, als ihr... aufgehört habt, euch zu sehen?«
    »Ich glaube schon.«
    Ich blickte ihm eindringlich in die Augen, und er zuckte zusammen. Mir mißfiel sein >Ich glaube schon<. Ich merkte, daß er etwas Angst vor mir hatte, also beschloß ich, diesen Umstand auszunutzen.
    »Was meinst du damit: unterschiedliche Interessent« fragte ich.
    »Nun, sie wurde etwas merkwürdig, verstehst du?« sagte er.
    »Ich weiß nicht so reiht. Erzähl!«
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und wandte den Blick ab.
    »Ich möchte keinen Ärger«, sagte er.
    »Darauf bin ich auch nicht scharf. Also, was war los?«
    »Nun ja«, sagte er. »Sie hatte Angst.«
    »Angst? Wovor?«
    »Ah... vor dir.«
    »Vor mir? Das ist ja lächerlich. Ich habe niemals etwas
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