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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition)
Autoren: Rafael Chirbes
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gesund, ganz anders als der Sumpf, der von den Anwohnern schon immer scheel angesehen wurde als Ort der Keime und Ansteckungen, stehendes Gewässer, dem zu misstrauen ist, das, erwärmt von der Frühlingshitze, verdirbt und sich bis zu den Regenfällen imHerbst nicht erneuert. Das Meer reinigt, bringt frischen Sauerstoff, der Sumpf zersetzt. Wie der Krieg, das Kommissariat und das Gefängnis. Nicht wahr, Vater? Verwesung und Gestank. Die Sümpfe sind nicht gut weggekommen: Fieber, Malaria, Dreck. Die Römer haben Gebiete wie diese aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen trockengelegt, ich hab es in den Reportagen gesehen: um Rom herum war nichts als Sumpf, voller Krankheitskeime, wie unser Sumpf, der Marjal, Perlen aus dem Sumpfcollier des Mittelmeers, ein feuchter Streifen, der, immer wieder unterbrochen, die Küsten säumt, die Bauern haben noch bis vor Kurzem die Lagunen der Zone entwässert und aufgeschüttet – der Hunger nach bestellbarem Boden. Blasco Ibáñez hat über diese Art der Landgewinnung zur agrarwirtschaftlichen Nutzung geschrieben; heute meint man, sie sei für die Umwelt extrem schädlich gewesen. Dank ihrer haben aber so viele Menschen in diesem Gebiet leben können. Wer nicht den Roman gelesen hat, kennt bestimmt die Fernsehserie. Ich hab das Buch gelesen: Irgendwo zu Hause liegt noch das Exemplar, das mein Großvater vor dem Bürgerkrieg gekauft hatte (etwa ein halbes Dutzend Bücher hat in einer der Kisten, die meine Großmutter vergraben hatte, den Krieg überlebt; ich glaube nicht, dass es sehr viel mehr Bücher im Haus gegeben hatte), und ich habe auch die Serie vor ein paar Jahren gesehen. Die Meeresküste ist kein gastlicher Ort gewesen, und sie war, sieht man von einigen Vorgebirgen ab, auch unbe wohnt, bis man vor einigen Jahrzehnten, egal wo, zu bauen begann. Man muss gar nicht weiter als Misent gucken, da gibt es Neubausiedlungen am Strand, die heißen La Laguna, Las Balsas (die Tümpel), Saladar (Salzteich) oder El Marjal, und dann beklagen sich die Bewohner, dass ihnen bei den herbstlichen Wolkenbrüchen Jahr für Jahr die Häuser volllaufen. Wie kann man aber auch einen Bungalow an einem Ort solchen Namens kaufen. Die Namen der Orte bewahren die Erinnerung an das, was diese einmal waren. Schlammfelder, Tümpel, Sümpfe, Lachen zur Salzgewinnung. Mein Vater hatte für Leute, die sich Ferienhäuser und Apartmentsin jenen, dem Sumpf abgerungenen Gebieten kauften, nur Verachtung übrig. Eigentlich hat er alle verachtet, die, vom Ruf des Meeres angelockt, in unsere Gegend gekommen sind. Strolche. Abenteurer. Spekulanten. Die Küste ist ein Ort des Verderbens, pflegte er zu sagen. Das Meer spült den Abfall an und zieht den Abschaum her. Das war schon immer so: Scharlatane, Hütchenspieler, Schlägertypen. Obwohl, heutzutage, wo das Menschentier das am wenigsten geschütz te Wesen der Schöpfung ist, würden die Ökologen wahrscheinlich die Taten von Bernal junior noch viel unverzeihlicher finden als die des Seniors, da die größte Sünde schon immer die Zerstörung des Ewigen gewesen ist (Sünden wider den Heiligen Geist werden nicht vergeben), und das Ewige ist in unserer materialistischen Gesellschaft nicht mehr Gott, weshalb dem menschlichen Körper auch nicht der Respekt gezollt wird, der ihm sicher war, solange er noch als Tempel des Heiligen Geistes galt. Jetzt ist die Natur das große Sanktuarium des Göttlichen: Wasser und Schlamm mit Teer, Dachpappe, Glasfiber und krebserregendem Asbest zu kontaminieren – was Bernal junior getan hat – erscheint uns weit verwerflicher als die Morde, die Bernal senior zu verantworten hat. Wirft man eine Leiche ins Meer, tut man der Umwelt einen Gefallen, Nahrhaftes, an dem die Fische mit ihren kalten Mäulchen knabbern. Für die Absolution der Pistolenhelden, die aus Straßengräben Gräber machten und die Friedhofsmauern mit Kugeln durchsiebten und die Fische auf offener See fütterten, hat die Transición gesorgt, es waren wohl lässliche Sünden, dagegen die Sünden wider die Umwelt, sie verjähren nicht, da ist kein Richter, der die Sünder freisprechen könnte. Machen wir uns nichts vor, ein Mensch ist nicht groß was wert. Es gibt sogar so viele davon, dass die Regierungen nicht wissen, was sie mit ihnen machen sollen. Sechs Milliarden Menschen auf dem Planeten und nur sechs- oder siebentausend bengalische Tiger, wer also ist mehr auf Schutz angewiesen? Entscheide, wem mehr Fürsorge gebührt. Ja, du hast die Wahl. Ein
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