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Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht

Titel: Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
Autoren: Jon Ewo
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an. »Das   … nun ja   …«
    Sie schiebt meinen Leseausweis unter den Laser und der Strichcode wird mit einem leisen »Piep!« registriert. Dann nimmt sie das Buch und fummelt lange damit herum. Doch zum Schluss piept die Maschine ein zweites Mal und das Buch ist meins.
    Meine Hand gehört einer langsamen, sterbenden Schildkröte ohne Biss. Das Buch rutscht mir aus den Fingern. Fällt zu Boden und öffnet sich ungefähr in der Mitte. Dort ist eine riesige Illustration der weiblichen Geschlechtsorgane zu sehen, mit Bezeichnungen von Dingen und Punkten, von denen du am liebsten nie etwas wissen wolltest.
    Es ist jetzt zu 100   % sicher, dass ich hier nicht lebend herauskomme.
    »Mein Vater hat auch alle möglichen merkwürdigen Dinge getan, als er so eine Sommergrippe hatte«, wirft Jerry schnell ein, um die Peinlichkeit zu überdecken. Als ob das möglich wäre. »Er hat Marmelade auf Leberwurst geschmiert & hat sieben Mal beim Rückwärtsfahren den Nachbarshund überfahren & nicht zuletzt hat er geredet, als hätte er eine Fleischtomate im Mund.« Jerry lacht hysterisch und bekommt einen abwesenden Blick, als sähe er seinen verwirrten Vater vor sich.
    Die Bibliothekarin und ich, wir sehen ihn an, als hätte er gerade gestanden, dass er seine Mutter mit einem weich gekochten Frühstücksei umgebracht hätte.
    Jerry beugt sich hinunter, weil ich mich nicht bewegen kann. Er schenkt der Bibliothekarin ein nettes, freundliches Lächeln und überreicht mir das Buch mit dem Titel »Frauen mitten im Leben. Krisen und Veränderungen im Sexualleben reifer Frauen«.
    Ich sehe Jerry schockiert an, so wie Jesus Judas angestarrt haben muss. Die Bibliothekarin weiß offensichtlich nicht, was sie sagen soll.
    »Noch einen schönen Tag«, presst Jerry mit dünner Stimme hervor.
    In diesem Moment bricht der Stuhl, auf dem ich gerade noch gesessen habe, zusammen.
    Ich schließe seufzend die Augen.
    Jerry zerrt an meinem Arm und selbst eine sterbende Schildkröte weiß, wann es Zeit für den Rückzug ist. Ich nicke der Bibliothekarin zu, die abwechselnd uns und den Stuhl anstarrt.
    Hier werde ich meinen Fuß nie wieder hereinsetzen. Und wenn sie jahrelang das blöde Buch anmahnen und mir mit Strafen und Haft für viele Jahre drohen, ich werde nie wieder hierher zurückkommen.

13.   NACKTES VORSPIEL
    Ich würde Jerry am liebsten mit dem Buch eins überziehen und ihm erklären, dass er seine Diebstähle in Zukunft selbst regeln soll.
    »Du bist genial, Bud«, sagt er, bevor ich überhaupt den Mund aufkriege. »Sie wird nie auf die Idee kommen, dass wir etwas gestohlen haben könnten.«
    Ich hätte erwidern können, dass sie uns auch niemals vergessen wird. Und dass ich aber möglichst schnell vergessen werden möchte. »Du   … äh, hättest doch das Buch auch selbst klauen können«, sage ich verbissen.
    »Wo hätte ich es denn verstecken sollen?«, fragt er. Und da hat er recht. Sein Rucksack ist so voll, dass nicht einmal mehr ein Buch hineinpassen würde.Jerry selbst ist dünn wie ein Streichholz und trägt ein eng anliegendes T-Shirt , auf dem steht: »Das Leben ist erste Sahne!« Seine Hose sitzt so eng, dass ich sehen kann, wie viele Münzen er im Portemonnaie hat.
    »Wir   … äh   … öh   … sollten sehen, dass wir nach Hause kommen«, sage ich schließlich. »Meine Leute warten mit Heringen auf uns.«
    »Heringe! Sie sind einfach spitze, deine Eltern! Sie sind geradezu   …«
    Sein Mundwerk läuft wie geschmiert, erzählt von meinen unglaublichen Eltern und dass sie irgendwie ganz anders sind als seine.
    Das ist gut möglich.
    Mein Vater, Georg Martin, ist ein berühmter Professor der amerikanischen Literatur. Er weiß alles über den Schriftsteller Herman Melville, der das Buch »Moby Dick« geschrieben hat. Das ist ein Buch, das von einer Wahnsinnsjagd auf einen weißen Wal handelt.
    Wohingegen meine Mutter, Liss, eine noch berühmtere Professorin für tote Sprachen ist, so etwas wie Latein und andere Sprachfossilien, die wir heutzutage nicht mehr sprechen. Beide arbeiten an der Universität in Angler. Sie sind Romantiker und glauben, dass sie der Natur und dem, was »das wahre Leben genannt wird« näher sind, wenn sie auf dem Land leben. Merkwürdigerweise nutzen sie aber nie die Natur, die direkt vor unserer Haustür liegt.
    Aber für mich sind sie nicht so etwas Besonderes.
    »Ich glaube, das wird eine fantastische Woche«, fährt Jerry auf seine manische Art und Weise fort. »Ichhabe so viel, was ich
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