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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges
Autoren: Julie Peters
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konnten ja nur Kikuyu sein. Vielleicht die Pflückerinnen, die nach ihrem Lohn fragten. Oder die Faktoreimitarbeiter. Allen müsste sie dasselbe sagen. Es war kein Geld da. Mr. Noori jammerte ihr auch schon jeden zweiten Tag die Ohren voll, weil er den Kikuyu erlaubt hatte, bei ihm gegen einen niedrigen Zinssatz anzuschreiben. Inzwischen hatte keiner genug Geld, und es lag allein in Audreys Hand, daran etwas zu ändern.
    Aber sie konnte es nicht ändern.
    Zu ihrem Erstaunen standen neben Mukami – mit der sie gerechnet hatte – Wakiuru und Ngengi.
    Sie waren die beiden anderen wichtigen Personen beim Kikuyustamm, gegen die Kinyua sich bisher immer hatte behaupten können.
    Wakiuru ergriff das Wort. «Du hast meinen Bruder krank gemacht. Er isst nicht mehr, er trinkt nur Pembe.»
    Mukami sprach als Nächste. «Mein Geliebter kommt nicht mehr zu mir, Memsahib. Du hast ihn verhext.»
    Sie schaute Ngengi an. Sie wusste, die beiden Männer waren seit ihrer Jugend miteinander befreundet. Sie verbanden viele Erinnerungen miteinander. Ngengi nickte und fügte hinzu: «Mein Freund ist einsam.»
    «Und was soll ich dagegen tun?», fragte Audrey. «Ich dachte, ihr wärt gekommen, weil ihr Geld wollt.»
    «Dein Geld hat uns nie interessiert, Memsahib», sagte Wakiuru fest. «Unsere Leute werden lernen, ohne das Geld zurechtzukommen, wie es ihnen schon früher gelungen ist, ehe dein Mann herkam. Aber mein Bruder ist krank vor Kummer. Mach ihn wieder gesund.»
    «Das kann ich nicht!», widersprach Audrey. «Was soll ich tun? Soll ich mit ihm in der Hütte leben? Wollt ihr das?»
    Die drei schwiegen. Audrey bemerkte hinter sich eine Bewegung. Fanny trat neben sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter.
    «Keiner verlangt irgendwas von dir», sagte sie leise. «Aber hinterlass keinen Scherbenhaufen.»
    Sie fröstelte. Auf einmal fühlte sie sich ganz allein auf der Welt.
    «Ngai sieht alles, was wir tun.» Wakiuru wandte sich zum Gehen.
    «Was heißt das?», rief Audrey ihr nach.
    Mukami antwortete für die Ältere. «Es bedeutet, dass er jeden von uns beobachtet und nach dem bemisst, was er tut. Vieles gefällt ihm, und manches nicht.»
    «Ja, aber muss ich denn mit … straft mich euer Gott?» Sie war verzweifelt.
    «Ngai straft nicht.» Als Letzter ging Ngengi.
    Audrey lehnte sich erschöpft gegen den Pfeiler, der das Dach der Veranda trug. «Was soll das bedeuten?», flüsterte sie. «Was wollen sie von mir?»
    Fanny ging wieder ins Haus. Sie ließ Audrey allein, mit dem Schmerz, der sich in ihren Unterleib grub.
    Es dauerte lange, bis sie erkannte, dass nicht die Worte der drei Kikuyu in ihrem Leib wüteten und sie vor Schmerz aufschreien ließen.
    In dieser Nacht kam ihr Kind.

[zur Inhaltsübersicht]
36 . Kapitel
    Sie brachte einen gesunden Jungen zur Welt, nur Fanny stand ihr zur Seite. Es war eine leichte Geburt, leichter als die beiden ersten – aber was war schon leicht, wenn man ein Kind gebar? Dennoch, als er nach nur drei Stunden Wehen auf ihrem Bauch lag und sie sein leises Schnaufen hörte, weinte sie vor Glück. Kein Unglück der Welt konnte Bestand haben, solange es Kinder gab, die geboren wurden und den Schutz derer brauchten, die sie liebten.
    Sie blieb ein paar Tage im Bett. Fanny kümmerte sich um die Farm. Mukami kam und half, aber jedes Mal, wenn Audrey versuchte, mit ihr ins Gespräch zu kommen, wurde ihr Blick kalt, und sie wandte sich ab.
    Sie war also ganz allein auf der Welt. Nur Fanny war geblieben und dieses kleine Bündel Mensch, das sie in den Armen wiegte. Das an ihrer Brust schlief, das sie stillte und wickelte, das sie an sich drückte. Sie berauschte sich am Babyduft, tankte Kraft und sammelte ihren Mut.
    Drei Wochen nach der Geburt ging sie das erste Mal zum Kikuyudorf. Die Frauen und Kinder umringten sie sogleich, jeder wollte den Kleinen sehen oder halten, und Audrey ließ es zu, weil sie wusste, dass diese Menschen sich mit Kindern auskannten.
    Sie hatte gelernt zu vertrauen.
    Kinyua sah sie an diesem Tag nicht, und als Wakiuru kam und ihren Sohn gebührend bewunderte, fragte sie nicht, wo er war.
    «Das hast du gut hinbekommen, Memsahib. Du stehst jetzt auf eigenen Füßen, wenn du sogar deine Kinder ohne Hilfe zur Welt bringst.» Wakiuru nickte stolz.
    «Ich will alles andere auch gut hinbekommen», erwiderte Audrey. «Ich weiß nur nicht, wie …»
    «Die Zeit wird’s schon richten. Wenn der Tag gekommen ist, wirst du wissen, was zu tun ist.»
    Audrey lachte. Das hätte auch
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