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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges
Autoren: Julie Peters
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mein Vater. Er meint, wenn Kinyua nicht mehr zu uns gehören will, dann soll er gehen. Ganz.»
    Audrey schwieg, weil sie nicht das Gefühl hatte, dass von ihr eine Antwort verlangt wurde. Sie ging langsam mit Mukami zwischen den hohen Teebüschen hindurch, und die junge Kikuyu zeigte nach links und rechts und sagte manchmal etwas, doch auch sie war ungewöhnlich still.
    Schließlich hielt Audrey es nicht länger aus. «Ich habe wirklich gedacht, ich hab ihn lieb», fing sie an.
    Mukamis Gesicht versteinerte. «Das hoffe ich», erwiderte sie kühl. «Alles andere wäre grausam.»
    «Aber …» Audrey blieb stehen. Sie wagte nicht, Mukamis Hand zu nehmen, darum zupfte sie die Teeblätter vom nächsten Busch und zerrieb sie zwischen den Fingern. Der herbe, zarte Duft stieg ihr zu Kopf. «Jetzt denke ich, zwischen seiner Welt und meiner sind zu große Unterschiede. Vielleicht hatten wir nie eine Chance.»
    «Du hast es nur nicht richtig versucht, Memsahib», erklärte Mukami. «Du hast nie versucht, zu ihm zu kommen. Immer musste er zu dir kommen, das war von Anfang an so. Wie eure Hunde läuft er dir nach, und du hast es erst nicht bemerkt, und dann, als du einen Mann brauchtest, der dir Trost spendet, kam er dir gerade recht.»
    Audrey protestierte. «Ich habe viel für ihn riskiert!»
    «Ja? Was hast du denn verloren, seit du dich mit ihm eingelassen hast?»
    Mukami hatte recht. Verloren hatte sie seither nichts.
    «Meine Familie», versuchte sie es trotzdem.
    «Der Bwana und das mtoto waren vorher schon weg.»
    «Meinen Ruf.»
    «Bedeutet er dir wirklich etwas? Wäre es so, hättest du es nicht gemacht. Du wusstest, was es bedeutet, Memsahib. Du wusstest, worauf du dich einlässt, und du hast es trotzdem getan. Keiner weiß, warum. Und ist ja auch egal, denn jetzt ist er traurig, weil du nie zu ihm kommst. Und seine Leute sind ihm böse, weil er immer zu dir rennt. Du wirst dich entscheiden müssen.»
    «Du redest, als wärst du selbst noch fremd bei ihnen.»
    Mukami lächelte traurig. «Das bin ich auch. Meine Mutter wurde geraubt, und sie wurde zu einem Leben gezwungen, das sie nicht wollte. Sie hat es tapfer ertragen, aber wir fühlten uns immer fremd. Tu ihm das nicht an, Memsahib. Nicht, solange du nicht selbst dazu bereit bist.»
     
    Die Stille im Haus war ihr schier unerträglich, aber Audrey ging nicht zu Kinyua, und er kam nur noch selten, und wenn, dann morgens. Er blieb vor der Veranda stehen. Kein gemeinsames Frühstück mehr, keine vertrauten Worte. Niemand, der neben ihr im Bett lag. Nachts warf sie sich unruhig hin und her. Die Leere füllte ihre Träume.
    Sie erinnerte sich daran, wie Matthew neben ihr gelegen hatte. Sein Platz war links von ihr, zum Fenster. Kinyua aber hatte instinktiv den rechten Platz neben ihr im Bett gewählt, so als wisse er, dass links von ihr immer Matthew gelegen habe.
    Wenn sie wach lag, wendete sie sich jetzt immer nach links. Wo Matthew liegen würde, wenn er noch da wäre. Und sie vermisste ihn so schmerzlich, dass sie keinen Schlaf fand, bis sie sich vorstellte, er wäre wieder bei ihr.
    Weihnachten kam und ging, doch es war ein trostloses Fest, so ohne Kinder. Aus Nairobi kamen nur wenige Nachrichten. Sie erfuhren erst Wochen später von einer Entscheidungsschlacht gegen die Deutschen, die die Briten für sich entschieden hatten. Das neue Jahr kam, und Audrey war inzwischen schon so schwerfällig, dass sie nicht mehr aus dem Haus ging. Sie wartete auf die Geburt ihres Kindes Anfang Februar.
    Nach wie vor war das Geld knapp. Audrey wusste nicht, wie sie die Pflückerinnen bezahlen sollte. Nicht mal Geld für die Jungen war da, die die Affen aus der Pflanzung verjagten und die sie jeden Monat mit ein paar Silberrupien entlohnte.
    In ihrer Verzweiflung setzte sie sich hin und schrieb Matthew einen Brief.
    Sie zerriss, was sie geschrieben hatte, und setzte sich am nächsten Morgen wieder an den Schreibtisch. Doch wenn sie ihn jetzt heimriefe, käme es ihr wie eine Niederlage vor. Und sie mochte sich nicht eingestehen, dass sie verloren hatte.
    Doch wenn nicht bald ein Wunder geschah, verwilderte die Plantage, und sie musste verhungern.
    Es war früher Abend, und sie saß mit Fanny wie so oft im Wohnzimmer, als Kamau zu ihr trat. «Da sind draußen drei Besucher, Memsahib», sagte er, als sei die Königin von Saba persönlich angereist.
    «Führ sie herein.» Audrey richtete sich schwerfällig auf.
    «Sie sagen, sie kommen nicht ins Haus.»
    Seufzend erhob sie sich. Das
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