Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges
Autoren: Julie Peters
Vom Netzwerk:
ein Priester sagen können, dachte sie, aber sie sagte nichts. Wakiuru fiel in ihr Lachen ein.
    Vielleicht wird doch alles wieder gut, dachte Audrey. Wenn sie nur lernte zu verzeihen.
    Vor allem sich selbst.
     
    Es verging ein weiterer Monat, ehe sie wusste, was sie tun musste. Kinyua hielt sich von ihr fern. Er arbeitete nicht auf der Plantage und zog manchmal tagelang allein durch den Busch. Das wusste Audrey von Mukami, die sich ihr schließlich anvertraut hatte.
    «Du machst dir Sorgen um ihn, nicht wahr?»
    Sie saßen auf der Verandastufe. Audrey stillte den Jungen, dem sie noch immer keinen Namen gegeben hatte, weil sie nicht wusste, welcher Matthew recht wäre. Sie wollte das nicht ohne ihn entscheiden. Zugleich fürchtete sie immer noch, er könne irgendwann kommen und ihr das Kind wegnehmen.
    Sie drückte den Säugling unwillkürlich enger an sich. Nein, um dieses Kind wollte sie kämpfen. Und dieses Mal würde sie nicht verlieren.
    «Machst du dir keine Sorgen um ihn, Memsahib?»
    Audrey kniff die Augen zusammen. Sie überlegte, doch dann schüttelte sie den Kopf. «Kinyua ist nicht dumm. Er weiß, was er tut.»
    «Wenn er bei Verstand ist, mag das stimmen. Aber zuletzt war er wie von Sinnen. Ich glaube, er vermisst dich, Memsahib.»
    «Ich vermisse ihn auch.» Aber vermutlich vermisste sie ihn nicht so, wie Kinyua sie vermisste. Sie sehnte sich nach dem Freund, der immer für sie da war. Er hatte sich für sie eingesetzt, war an ihrer Seite gewesen, und eine Zeitlang hatte sie geglaubt, was sie mit ihm verband, sei anders. Mehr. Weil sie so einsam war.
    «Ich wünschte, er könnte mich so mögen wie dich, Memsahib.»
    «Das wird er, Mukami. Er wird irgendwann wieder zu sich kommen, und dann wird er wissen, was er an dir hat.»
    An diesem Abend wartete sie, bis es dunkel war, und sie ließ ihr Kind bei Fanny. Sie ging den kleinen Pfad zum Wäldchen, durchquerte es und erreichte nach kurzer Zeit das Kikuyudorf, in dem noch reges Treiben herrschte, ehe sich alle endgültig zur Ruhe begaben. Im Licht der Fackeln, die neben den Hütten in den Boden gesteckt waren, suchte und fand sie bald Kinyuas Hütte in der Mitte des Dorfs. Sie schlug die Türklappe zurück und schlüpfte hinein.
    Sie spürte ihn mehr, als sie ihn sah. Er setzte sich abrupt auf, als sie hereinkam. Die Klappe ging zu, das Dunkel umhüllte sie vollständig.
    «Audrey», flüsterte er.
    «Kinyua.» Ihre Hände fanden seine, und sie tastete sich zu ihm. Er zog sie auf seinen Schoß, und ehe sie sich dagegen wehren konnte, barg er den Kopf an ihrem Hals und atmete ihren Duft ein, und sie umfasste sein Gesicht und bog es behutsam zurück. «Nicht, Kinyua.»
    «Ich habe mich so sehr nach dir gesehnt.»
    «Bitte, wir müssen miteinander reden.»
    «Bleibst du bei mir?»
    «Ich kann nicht lange bleiben, das weißt du. Ich habe ein kleines Kind. Einen Jungen», fügte sie hinzu.
    Sie hörte, wie er tief durchatmete.
    «Hör mir zu», begann sie. Die Worte purzelten aus ihrem Mund. «Ich habe nachgedacht. Über uns. Es ist nicht leicht für uns, aber … Ich bin dir dankbar, weil du da warst. Du hast mir die Kraft gegeben, diese dunklen Monate zu überstehen. Du warst mir ein wahrer Freund, Kinyua. Ich …» Sie brach ab, tastete nach seiner Hand und drückte sie. «Denk nicht, ich hätte dich irgendwie … benutzt.»
    «Das habe ich nie gedacht, Audrey.»
    «Du hast in meiner Welt gelebt, aber wir haben beide gemerkt, dass es dir schwerfiel. Und deine Welt …»
    «Ich weiß.»
    Sie waren zu verschieden. Sie konnten nicht miteinander glücklich werden, nie. Weil einer immer das größere Opfer würde bringen müssen.
    «Dann ist es vorbei.» Wieder atmete er tief durch.
    «Bist du mir böse?», fragte sie.
    «Ich bin froh, dass du es mir gesagt hast. Ich hatte schon befürchtet, du kämst nie.» Seine Hand drückte ihre. «Kannst du ein bisschen bleiben?»
    Audrey zögerte.
    «Nicht lange. Nicht die ganze Nacht.»
    Sie gab nach. Kinyua zog sie zu sich heran, und sie spürte die weiche Strohmatte, auf der er nachts schlief. Sie legten sich nebeneinander, und er breitete seinen Umhang über ihr aus. Ihr Gesicht ruhte an seiner Brust, sie hörte das eigene Blut in den Ohren rauschen und seinen Herzschlag, der sich langsam beruhigte. Sein Atem wurde leichter, bis er eingeschlafen war.
    Lange lag sie wach. Das Dorf fand in den Schlaf, bis es gänzlich still war vor der Hütte.
    Das hier war kein Leben für sie.
    «Wenn wir doch wenigstens Freunde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher