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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges
Autoren: Julie Peters
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hoch und schlug die Hand vor den Mund. Nicht weinen!, befahl sie sich, aber es war schon zu spät. Sie flossen haltlos. Was war nur aus ihrem Leben geworden? Trost fand sie in den Armen eines Mannes, den die Gesellschaft niemals akzeptieren würde. Die Plantage war bankrott, und wenn kein Wunder geschah, würde sie bald vor dem Nichts stehen. Matthew konnte wenigstens noch das Land verkaufen, aber sie hatte ja keine Ansprüche! Sie hatte nur drei Kinder geboren und war ihm immer eine ehrliche und gute Gefährtin gewesen. Aber das zählte nicht mehr.
    Sie war ein Nichts. Klammerte sich an Kinyua, weil sie sonst niemanden hatte.
    Liebe ich ihn überhaupt?, fragte sie sich. Der Gedanke erschreckte sie. Dass sie sich an einen Mann klammerte, nur weil er da war, weil er ihr etwas zu essen organisierte und sie nicht im Stich ließ …
    Er war im Moment ihr einziger Ausweg.
    Aber er war auch Leidenschaft und Lust und … blindes Verstehen. Es fühlte sich richtig an, solange er in der Nähe war. Aber sobald er das Zimmer verließ oder sie nachts nicht besuchte, wusste sie wieder, dass es falsch war und dass sie es nur tat, weil sie sich vorm Alleinsein so sehr fürchtete.
    Alles wäre anders, wenn sie sich nicht ihm, sondern einem Weißen an den Hals geworfen hätte. Wenn sie sich von Benedict Tuttlington aushalten ließe, beispielsweise. Die Vorstellung ließ sie auflachen. Dann würde sie sogar Fanny verlieren, die doch immer noch irgendwie zu ihr hielt.
    Kinyua kam nach einer halben Stunde zurück. Und sobald er im Zimmer war, fühlte sie sich von allen Sorgen befreit. Aber wie lange ging das noch so gut? Wie lange fühlte sie sich, als stünde sie auf der richtigen Seite des Lebens, solange er nur da war?
    Er fütterte sie mit einem fettigen Maisbrot, in das winzige Körner eingebacken waren. Es schmeckte süß und schwer. Audrey nahm ihm das Päckchen aus der Hand und schlang es mit wenigen Bissen halb herunter.
    «Die Bank gibt uns kein Geld, und Tim Ricket behauptet, er habe das Geschäft mit Matthew abgeschlossen und werde das Geld nur ihm auszahlen. Und Matthew gegenüber wird er vermutlich behaupten, das Geld gehe nur direkt an die Plantage.»
    «Also sind wir keinen Schritt weiter.» Er nötigte ihr noch ein Stück von dem Brot auf. Sie aß jetzt langsamer. Wenn sie satt war, könnte sie die Reste ja der jungen Pensionswirtin geben, damit ihre Kinder wenigstens einmal am Tag eine Mahlzeit bekamen.
    Aber vielleicht würde sie bald schon schlimmer dran sein als die Frau. Wenn die Plantage verkauft wurde, wusste sie nicht, wohin. Fanny käme sicher irgendwo in der Stadt unter, oder Benedict würde ihr das Ticket für die Heimreise bezahlen. Aber sie, Audrey? Sollte sie ihre Eltern anbetteln oder Reggie und Rose?
    Oder zog sie dann mit Kinyua in sein Dorf, in eine der runden Hütten, molk Ziegen und bekam jedes Jahr ein Kind von ihm? War das ein Leben, das sie sich vorstellen konnte?
    Er tat so viel für sie. Er gab sein Leben und damit auch viel von sich selbst auf. Er lebte wie ein Europäer, verhielt sich manchmal sogar so, auch wenn sie spürte, dass er sich nicht immer wohl in seiner Haut fühlte. Aber er tat das für sie.
    Wäre sie bereit, für ihn dasselbe zu tun?
    «Nimm noch einen Bissen», drängte er. «Fürs Kind.» Und sie aß gehorsam, obwohl sie die Antwort wusste. Obwohl sie bereits spürte, wie es zu Ende ging mit Kinyua und ihr.
    Was dann?
    Sie brauchte einen Plan, eine Perspektive. Irgendwas, das nach dem unausweichlichen Ende dessen kam, was sie begonnen hatte, ohne einen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden.

[zur Inhaltsübersicht]
35 . Kapitel
    Sie dachte in den kommenden Wochen und Monaten viel darüber nach, wie sie in diese Situation hatte geraten können. Nach zwei weiteren fruchtlosen Bankbesuchen und nach einem Besuch bei Mr. Ricket, der ihr schließlich nach endlosem Drängen einen Scheck ausstellte, der sie zumindest über den Winter bringen würde, waren sie nach The Brashy zurückgekehrt.
    Audrey zog sich zurück. Sie musste sich nicht erklären, denn Kinyua musste in sein Dorf. Er sprach nicht darüber, aber von Mukami, die jetzt wieder jeden Tag kam, erfuhr Audrey, dass seine Leute aufgebracht waren, weil er sich mit Audrey eingelassen hatte.
    «Sie finden, er sollte sich eine von unseren Frauen nehmen. Besser zwei.» Die junge Frau hielt den Blick gesenkt, und Audrey erinnerte sich, dass Mukami eine Zeitlang auch seine Gefährtin gewesen war.
    «Sein Freund Ngengi,
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