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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges
Autoren: Julie Peters
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weiß nicht, was Sie meinen.»
    Aber Audrey hatte genug gehört. Sie erhob sich schwerfällig und reichte Mr. Van Dyk die Hand. «Danke jedenfalls», sagte sie, obwohl sie nicht wusste, wofür sie sich bedanken sollte.
    Sie wusste ja nicht mal, wie sie die Rechnung in der Pension begleichen sollte.
    Darum führte ihr nächster Weg sie zu Tim Ricket. Sie entlohnte den jungen Rikschafahrer, mit dem sie zur Bank gefahren war, weil sie sich selbst das wohl nicht mehr leisten konnte, und machte sich zu Fuß auf den langen Weg zu Mr. Rickets Haus. Ihr war ein wenig bang ums Herz, und sie fühlte sich etwas kurzatmig, was vermutlich an der Hitze und ihrem Zustand lag.
    Sie glaubte, Mitleid im Blick des Bankdirektors gesehen zu haben. Aber mit Mitleid konnte man sich kein Auskommen sichern.
    Sie war noch drei Straßen von Tim Rickets herrschaftlichem Anwesen entfernt, als sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite drei Gestalten entdeckte. Und die mittlere, kleinste – ließ ihr Herz stillstehen.
    «Thomas», flüsterte sie. Und dann rief sie den Namen ihres Kinds, und ohne nach rechts und links zu schauen, überquerte sie die Straße. Ein Mann brüllte ihr nach, ein Pferd wieherte schrill, weil der Kutscher es brutal zurückreißen musste.
    Audrey beschleunigte ihre Schritte. Mary, die neben Thomas ging, hob ihn hoch. Matthew machte ein finsteres Gesicht und stellte sich vor die beiden.
    Sie wurde langsamer. Sie war außer Atem, ihr Bauch schmerzte, und sie musste stehen bleiben und sich an einem Zaunpfahl festhalten und etwas vornüberbeugen, bis es wieder ging. Sie fürchtete schon, Matthew habe inzwischen das Weite gesucht, aber er stand noch immer da und blickte ihr herausfordernd entgegen.
    War da nicht auch Besorgnis in seinem Blick?
    Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.
    «Hallo, Matthew.» Sie lächelte und versuchte, an ihm vorbei Thomas anzusehen, doch der Kleine wandte das Gesicht ab, und Matthew verstand es, sich ihr gerade so in den Weg zu stellen, dass sie nicht genug sah. «Das ist aber eine Überraschung.»
    «Was willst du hier, Audrey?» Sein Blick glitt an ihr auf und ab und blieb am geschwollenen Bauch hängen, als versuchte er zu ergründen, ob sie sein Kind bekam oder das von Kinyua.
    «Ich war auf dem Weg zu Tim Ricket», erzählte sie. Dass sie Thomas wiedersah, erfüllte sie mit einer übersprudelnden Freude. Wenn sie ihn nur in die Arme nehmen dürfte! Sie gäbe alles dafür.
    «Zu Fuß?»
    «Er hat die Rechnung nicht beglichen.»
    «Hm», machte Matthew nur. «Ist wohl bald so weit bei dir.»
    «Ein bisschen dauert es wohl noch. Ich dachte, du wärst wieder im Süden bei der Truppe.»
    Wie sie einander die Vorwürfe hin und her schoben, wie sie versuchten, auf keine Provokation einzugehen … Audrey machte einen Schritt nach vorne und streckte sogar die Hand nach ihm aus. «Mir tut das alles so leid», sagte sie leise. «Können wir nicht …»
    «Was denn, uns vertragen?» Sein Lachen, vertraut und zugleich so bitter, dass es ihr doppelt tief ins Herz schnitt. «Soll ich etwa vergessen, dass du zwei Kinder umgebracht hast, und später auch noch unseren Sohn?»
    Sie wollte einwenden, dass Alfred nicht tot war und dass Chris’ Tod doch nicht ihre Schuld gewesen sei. Aber die Schuld wog zu schwer, ohne dass sie sich schuldig fühlte, und sie bekam den Mund nicht auf.
    «Lass ihn mich nur einmal auf den Arm nehmen», flehte sie. «Mehr verlange ich doch nicht.»
    Sie streckte die Hände aus, vorbei an Matthew. Mary trat einen Schritt beiseite, aber sie schaute nicht Audrey an, sondern ihn, und sie wusste sofort, was da lief.
    Das findet er natürlich in Ordnung, dachte sie verbittert. Sich ein Mädchen ins Haus zu holen, das ohnehin schon immer von den Männern benutzt wurde.
    Aber sie durfte nicht mit Kinyua glücklich werden.
    Er schob sich zwischen die beiden Frauen. «Nix da», beschied er ihr. «Du bekommst ihn nicht zurück. Und das da», er zeigte mit spitzem Zeigefinger auf ihren Bauch, «werde ich mir auch holen, sobald es erst geboren ist.»
    Sie starrte ihn an. «Das tust du nicht», hauchte sie. «Es gehört mir!»
    «Du hast selbst gesagt, dass es mein Kind ist. Also werde ich mir holen, was mir gehört. Du bist ja nicht in der Lage, für die Kinder zu sorgen!»
    Sie wusste in diesem Moment nicht, wohin mit sich. Seine Worte taten ihr weh. Sie hatte so sehr gehofft, er werde einsichtig sein, werde ihr wenigstens gestatten, Thomas im Arm zu halten, und jetzt das! Heiße
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