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Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Titel: Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)
Autoren: Regina Mengel
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Kiste. Albin erreichte inzwischen die Tür zu dem kleinen Lagerraum. Susannas Augen weiteten sich, als er den Schlüssel hervorzog.
    Endlich, ging es ihr durch den Kopf. Endlich würde sie erfahren, was Albin in diesem Raum versteckte. Gespannt starrte sie zu ihm. Er drehte den Schlüssel, drückte die Klinke und öffnete die Tür.
    Das Zimmer lag im Dunkeln. Susanna trat näher. Sie starrte in den Raum. Das sollte alles sein? Enttäuscht schob sie die Unterlippe vor. Vor ihr lag nichts anderes, als ein langweiliger Lagerraum. Sie hatte exotische Gerätschaften und magische Zeichen erwartet. Doch es standen lediglich ein Arbeitstisch samt Stuhl sowie ein paar Schränke und Regale herum. Wegen dieses Krams hatte ihr Vater all die Jahre das Zimmer abgesperrt?
    Albin ließ sich am Tisch nieder und öffnete eine Schublade. Er zog ein Fläschchen mit einer Flüssigkeit hervor, schüttete sich ein paar Spritzer davon in die Handflächen und rieb sich die Hände. Danach ergriff er zwei Gefäße, die wie Einmachgläser aussahen, und stellte sie vor sich auf die Arbeitsplatte. Sorgfältig strich er mit den Händen darüber. Ob er sie abputzte? Aber wozu? Es ging doch um den Inhalt, nicht um die Verpackung. Albin hielt die Gefäße in das Licht der Schreibtischlampe.
    In diesem Augenblick sah sie es.
    „Krass“, entfuhr es ihr.
    Albin drehte sich um. Lächelnd reichte er ihr eines der Gefäße. Tatsächlich, da standen Worte, die noch Sekunden zuvor nicht erkennbar gewesen waren. Susanna las:
     
    Iyi Safar
     
    Fern der Ort, doch nah das Tor,
    sichtbar macht ein Trank zuvor.
    Eine Unze muss genügen,
    Kurnydel hinzuzufügen.
     
    Trink die Mischung hernach schnell,
    denn das ist nun essenziell.
    Sprich darauf die Reiseworte,
    nur dann öffnet sich die Pforte.
     
    „Iyi Safar heißt so viel wie Gute Reise“, erklärte Albin.
    „Und was ist Kurnydel?“
    „Ein Gewürz.“ Albin hielt das andere Glas in die Luft. „Das Kraut wächst nur in Kis-Ba-Shahid. Ihr solltet ein wenig davon mitbringen, wenn ihr nach Hause kommt.“ Er seufzte. „Du kommst doch zurück?“
    „Ich passe auf sie auf“, antwortete Schicksal an Susannas Stelle, und sie fügte hinzu: „Natürlich komme ich zurück. Versprochen.“
    Albin vermischte die Kräuter. Dann ging er nach nebenan, um daraus einen Tee aufzubrühen. Er ließ die Schultern hängen, alles an seiner Haltung drückte aus, wie schwer es ihm fiel, Susanna gehen zu lassen.
    Wenige Augenblicke später kehrte er zurück, in der einen Hand zwei Tassen, in der anderen eine dampfende Teekanne. Ein scheußlicher Geruch zog durch den Laden. Es roch wie eine Mischung aus einem Kuhfladen und Pfefferminz. Ekelhaft . Dieses Zeug sollten sie trinken? Susanna schüttelte sich.
    „Der Tee muss einige Minuten ziehen. Am besten nutzt du die Zeit, um den Spruch zu lernen“, sagte er zu Susanna. „Ohne ihn öffnet sich die Pforte nicht. Pass auf: Safar ma zaly bayadi. Al qamyr lura tifai y kataba.“ Er wiederholte die Sätze so lange, bis Susanna sie fehlerfrei nachsprechen konnte. „Es bedeutet: Die Reise in die Wüste dauert an. Die Sprache derselben steht im Mond geschrieben“, erklärte er. „Du musst dir die Worte gut merken. Ohne sie kannst du nicht zurückkehren. Verrate sie niemandem, denn für die Rückreise benötigst du keinen Trank, die Worte allein genügen.“
    Susanna erschrak. Wenn sie den Spruch nun vergaß? Sie war nie gut im Auswendiglernen gewesen. Vorsichtshalber flüsterte sie die Sätze noch einige Male vor sich her.
    „Gleich ist es soweit“, sagte Albin. Er goss den Tee ein und reichte Susanna und Schicksal die Tassen. „Wenn ihr ausgetrunken habt, muss Susanna den Spruch aufsagen. Danach dauert es fünf Minuten, bis sich die Pforte nach Kis-Ba-Shahid öffnet.“ Er deutete auf die Tür, die Verkaufsraum und Hinterzimmer miteinander verband. „Diese Tür führt euch dorthin.“
    Susanna schnupperte an der Flüssigkeit. Igitt. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, als ihr der elende Gestank entgegenwallte.
    „Muss ich das austrinken?“, fragte sie. Sie hielt die Tasse so weit von sich, wie möglich. Patrick kam ihr in den Sinn. Über das Lernen des Spruchs hatte sie ihn beinahe vergessen. Er steckte fest in dieser Kiste.
    „Ein paar Schlucke sind genug“, sagte Albin.
    Zumindest reichte der Inhalt der Tasse für zwei. Susanna hatte allerdings nicht die geringste Ahnung, wie sie es anstellen sollte, Patrick davon trinken zu lassen, ohne, dass die Erwachsenen es
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