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Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Titel: Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)
Autoren: Regina Mengel
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für seinen Geschlechtsgenossen Partei zu ergreifen. „ Exfreundinnen übertreiben oft.“
    „Ich glaube ihr. Schicksal behauptet zum Beispiel, er behandele Frauen und Männer gleich. Aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Warum meinst du, verdienen Frauen heute immer noch weniger als Männer, auch wenn sie die gleiche Arbeit machen?“
    „Und du denkst, das sei seine Schuld?“
    „Zumindest trägt er eine Mitschuld. Er manipuliert die Menschen. Und sie nehmen es hin. Bestimmt hast du es auch schon oft gehört. Sie sagen so Sätze wie: Das ist halt Schicksal ... damit muss man leben ... das kann man nicht beeinflussen ... c‘est la vie.“
    Albin hatte zustimmend genickt. Natürlich kannte er solche Sprüche.
    Am nächsten Tag war Sarah nach Kis-Ba-Shahid gereist und nicht mehr zurückgekehrt.
     
    Er wischte die Trauer bei dem Gedanken an Sarahs Tod mit einer energischen Bewegung zur Seite. Hier und heute ging es um Susanna. Er betrachtete seine Tochter. Sie saß immer noch auf der Bettkante. An ihrem Gesichtsausdruck ließen sich keine Emotionen ablesen. Er wartete darauf, dass sie etwas sagte, aber sie schwieg beharrlich. Ungeduldig wackelte Albin mit den Zehen, eine Angewohnheit, über die Sarah stets gelächelt hatte.
    „Samuel“, sagte Susanna endlich, „sagte, man hätte Mamas Leiche nie gefunden?“
    Albins Zehen erstarrten mitten in der Bewegung. Zögernd nickte er.
    „Wieso behauptest du dann, sie sei tot?“
    „Deine Mutter hat sich in der Wüste verlaufen. Weißt du, was das bedeutet? Hitze, Durst, weit und breit nur Sand. Ich weiß, es ist eine schreckliche Vorstellung, aber das kann niemand überleben.“
    „Woher willst du das wissen? Warst du dort? Hast du nach ihr gesucht?“ Aus zusammengekniffenen Augen starrte sie ihn an. „Du hast nicht einmal versucht, sie zu finden.“
    „Aber Kind …“
    Susanna unterbrach ihn. „Ich werde hinfahren und herausfinden, was ihr zugestoßen ist.“ Mit gefasster Miene sah sie ihm in die Augen. „Papa, es ist gut über Schicksal Bescheid zu wissen. Ich verpreche dir, vorsichtig zu sein, wenn ich in Kis-Ba-Shahid bin.
    Albin spürte einen Schraubstock, der sich um sein Herz legte. Er keuchte, das Atmen fiel ihm schwer. „Auf keinen Fall erlaube ich dir, das zu tun.“ Er legte alle Autorität, die er aufbringen konnte, in seine Stimme.
    „Du kannst mir vieles verbieten, aber das nicht.“
    Susanna sprang auf. Sie sah aus wie ein wütender Kakadu. Ihr ungekämmtes Haar stand in alle Himmelsrichtungen.
    Albin zwang sich zur Ruhe. „Wir sollten zu Hause darüber reden.“
    „Du nimmst mich mit?“
    „Selbstverständlich. Zu Hause kann ich ein Auge auf dich haben.“ Er hatte es scherzhaft gemeint und hoffte, Susanna ginge auf dieses Friedensangebot ein. Doch sie zog eine Grimasse. Hatte sie ihm tatsächlich die Zunge herausgestreckt? Trotz seiner Sorgen musste Albin lächeln, bewies es doch, dass sie bei all ihrem erwachsenen Auftreten immer noch sein kleines Mädchen war.

13.               Schicksal
     
    G leich nach dem Frühstück brachen sie auf. Während Albin die Reisetasche in den Kofferraum stellte, tippte Susanna eine Kurznachricht an Patrick: „Bin auf dem Heimweg.“ Dann schloss sie die Augen und dachte über die letzten Tage nach.
    Die Vorstellung, dass Samuel in Wirklichkeit Schicksal hieß, oder war oder beides gleichzeitig, erschreckte sie. Er musste uralt sein, wenn er - wie hatte Albin es genannt? – ‚… seit Anbeginn der Zeit’ lebte. Sie hätte ihn auf höchstens dreißig geschätzt.
    Ob er tatsächlich Patricks Onkel war? Auch in Patricks Familie schien es Geheimnisse zu geben. Susanna seufzte.
    Kis-Ba-Shahid, dieses Land, das auf keiner Karte zu finden war, faszinierte sie. Es musste eine Art Nebenwelt sein. Anders konnte Susanna sich die Sache nicht erklären. Vor wenigen Tagen hatte sie sich noch für ein stinknormales Mädchen gehalten und nun hieß es, sie wäre die Erbin eines Flaschengeists aus dieser fremden Welt. Ob sie das doch alles nur träumte? Sie kniff sich in den Oberschenkel. Au, das tat weh.
    Erstaunlich schnell erreichten sie die Ruelle-Gasse.
    Endlich zu Hause, dachte Susanna. Nun würde alles gut . Irgendwie könnte sie Albin schon überreden, sie nach Kis-Ba-Shahid reisen zu lassen.
    Eine halbe Stunde später klingelte es an der Haustür. Susanna war als Erste im Flur. Sie drückte auf den Öffner und lauschte auf die Schritte im Treppenhaus. Mehrere Personen kamen herauf, sie
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