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Am Anfang des Weges

Am Anfang des Weges

Titel: Am Anfang des Weges
Autoren: Richard Paul Evans
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bis ich wieder nach Hause kommen kann. In mein wahres Zuhause.«
    »Sie klingen, als ob Sie es kaum noch erwarten können.«
    »Ich nehme an, so ist es auch. Ich bin nicht scharf auf das, was ich vielleicht noch durchmachen muss, um dorthin zu kommen, aber ich kann Ihnen sagen, dass es eine Reise ist, die sich lohnt. Ungefähr so wie eine Reise nach Bali.«
    »Sie waren auf Bali?«, fragte ich.
    »Bali, Nepal, Italien, China, Taiwan. Dass ich in Davenport lebe, heißt noch lange nicht, dass ich die Welt nicht gesehen hätte.«
    »Sie können sich glücklich schätzen, diese Erfahrung gemacht zu haben.«
    »Das haben schon viele Leute gesagt, aber ich weiß nicht, ob es stimmt. Es hat mir das Leben erschwert. Ich habe mich immer anders gefühlt, so als ob ich gar nicht hierhergehören würde. Aber ich nehme an, genau darum geht es. Niemand von uns gehört hierher.
    Als ich älter wurde, hatte ich viele Fragen. Ich habe mit einem Psychiater gesprochen, aber der hielt mich für verrückt und verschrieb mir Prozac. Ich habe einem Priester davon erzählt, und der sagte mir, ich solle nicht darüber reden. Das habe ich nie verstanden. Mit neunzehn erfuhr ich, dass es Gruppen gibt für Leute, die solche Erfahrungen gemacht haben wie ich. Daher fuhr ich zu einer ihrer Konferenzen. Das bestätigte, was ich erlebt hatte, aber die Leute waren nicht glücklich. Leute, die NTEs hatten, wie sie es nannten, haben Probleme damit, ihren Job zu behalten oder verheiratet zu bleiben. Ich nehme an, uns langweilt all das, was es hier gibt, einfach schnell. Normale Leute kennen nichts anderes, daher leben sie so, als wäre dieses Leben alles, was es gibt.
    Zum Beispiel Mrs. Santos, die ein Stück die Straße hinunter auf der Delgado-Ranch wohnt. Sie ist nie weiter von zu Hause weggekommen als bis Seattle. Sie hat keine Ahnung, was es dort draußen alles gibt. Sie kennt nicht einmal den Nebel, der über dem Sonne-Mond-See aufsteigt, oder hätte gar gesehen, wie die italienische Sonne die Weinberge im Chianti vergoldet. In gewisser Weise sind die Lebensklammerer genauso.«
    »Lebensklammerer?«
    »Dieses Wort habe ich mir ausgedacht. Das sind die Leute, die sich an dieses Leben klammern, weil sie glauben, dass das hier schon alles wäre. Aber sie täuschen sich, wenn sie glauben, dass sie an diesem Leben festhalten können. Alles auf dieser Welt ist vergänglich. Alles. Man kann nicht eine einzige Sache festhalten. Aber weiß Gott, sie versuchen es. Manche Leute lassen sogar ihren Körper einfrieren, damit sie irgendwann später wieder zum Leben erweckt werden können. Was für Dummköpfe! Sie müssten sich nur umsehen, dann könnten sie sehen, dass auf dieser Welt nichts von Dauer ist.«
    »Na ja, wir kommen nicht alle in den Genuss, die andere Seite zu sehen«, wandte ich vorsichtig ein.
    »Nein, aber es finden sich überall Beweise, dass es die andere Seite gibt. Fragen Sie doch mal irgendjemanden, der beruflich mit dem Tod zu tun hat – Geriatrieärzte oder Hospizmitarbeiter. Jeder von ihnen kann Ihnen sagen, was passiert, wenn jemand stirbt. Wie oft kommt es vor, dass jemand, der im Sterben liegt, hochblickt und einen Besucher von der anderen Seite grüßt? Das ist die Regel, nicht die Ausnahme. Aber keiner redet darüber. Sie reden nicht einmal über den Tod, als ob er verschwinden würde, wenn man nicht darüber redet. Aber wie kann man das Leben verstehen, wenn man den Tod nicht versteht?« Sie sah auf meinen Teller. »Jetzt haben Sie gar nichts gegessen, und alles ist kalt geworden. Ich wärme es Ihnen rasch noch einmal auf.«
    Sie nahm meinen Teller und trug ihn zurück in die Küche. Ironischerweise war das, was sie über die »Lebensklammerer« gesagt hatte, genau dasselbe, was ich über die Bewohner all der kleinen Städte gedacht hatte, die ich durchquert hatte. Ich hatte mich gefragt, ob sie wussten, dass es dort draußen noch eine ganz andere Welt gab. Aber in Wahrheit war ich selbst nicht anders als sie. Ich war ein Lebensklammerer.
    Kurz darauf kam Mrs. Hammersmith wieder. Sie hielt meinen Teller mit einem Ofenhandschuh. »Vorsicht, der Teller ist ein bisschen heiß.« Sie stellte ihn vor mich hin.
    »Danke.« Ich griff nach einer Gabel. »Und danke, dass Sie mir Ihre Geschichte erzählt haben.«
    »Vergessen Sie nur eines nicht, Alan. Der Tod ist der Anfang. Das hier ist der Winter. Und danach kommt der Frühling.« Sie seufzte. »Ich mache mich besser wieder an die Arbeit. Ein B & B zu haben ist, als hätte man eine
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