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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman
Autoren: H kan Nesser
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richtig verstanden habe«, erwiderte Backman.
    »Das hast du bestimmt«, sagte Barbarotti.
    Er wollte aufstehen, aber Backman legte eine Hand auf seinen Arm.
    »Kannst du nicht mal abends zum Essen vorbeikommen? Ich will dich natürlich nicht drängen, aber …«
    »Ich habe nichts dagegen«, sagte Barbarotti. »Aber ich habe wenigstens vier Kinder, um die ich mich kümmern muss. Gib mir noch ein paar Tage, es fällt mir aus irgendeinem Grund schwer, nicht zu Hause zu sein.«
    »Okay«, sagte Eva Backman. »Das ist vielleicht verständlich. Ich bin im Haus, vergiss das nicht.«
    »Danke«, sagte Gunnar Barbarotti und schob sich zur Tür hinaus.

5
    E r war nicht unvorbereitet gewesen.
    Vieles konnte vorgebracht werden und zahlreiche Trauerwunden bluteten, aber das konnte er trotz allem nicht behaupten. Anderthalb Jahre zuvor hatte sich bei Marianne ein erstes Aneurysma bemerkbar gemacht, und die Zeit seither war von diesen Gedanken durchsetzt gewesen. Sie ist nur einen Millimeter vom Tod entfernt gewesen. Es kann wieder passieren.
    Das hatte er gedacht, und das hatte er geträumt. Sich ausgemalt und versucht, sich das Schlimmste vorzustellen: dass sie eines Tages nicht mehr an seiner Seite sein würde. Wie ein schattenhafter und hartnäckiger Weggefährte hatte diese Möglichkeit ihn in den letzten achtzehn Monaten begleitet; mehrmals war er in der Überzeugung aus einem Traum erwacht, dass es tatsächlich passiert war. Sie hatten darüber gesprochen; mehrfach und im Grunde ohne Ängste. Mit einer Art akzeptierenden Ruhe, die er im Nachhinein schwer nachvollziehbar fand. Zu der zurückzufinden ihm schwerfiel.
    Über das Leben wissen wir mit Sicherheit nur, dass es eines Tages endet. Wir sind nicht für die Ewigkeit gemacht, nicht hier auf Erden. Nutze die Stunden und Tage. Es kommt eine Zeit, so lauten die Bedingungen.
    Nein, unvorbereitet war er nicht gewesen.
    Und sie hatten ihre Zeit genutzt, das hatten sie wirklich. In der Nähe des Todes zu stehen, hatte ihre Sinne geschärft, ihre Wahrnehmung geschliffen, ganz gleich, wie man die Sache sehen mochte, ihre letzte gemeinsame Zeit war auch ihre beste gewesen.
    Und am anderen Ufer warten wir aufeinander.
    Oder die Alternative, diese beharrlich wiederkehrenden Zeilen von Larkin:
    The sure extinction that we travel to
    And shall be lost in always
    Das war ein schwacher Trost, vor allem Larkin natürlich, aber er hatte gewusst, dass es ein schwacher Trost sein würde. Auch das war präpariert, auch das vorbereitet gewesen.
    Die Kinder , hatte sie gesagt. Wenn einer von uns verschwindet, muss der andere die Kinder übernehmen, bis sie aus dem Gröbsten heraus sind.
    Das hatte sie gesagt, darauf war sie immer wieder zurückgekommen.
    Sie hatten fünf, aber kein gemeinsames.
    Seine eigenen: Sara, Martin und Lars. Sara war vierundzwanzig und flügge geworden. Wohnte seit dem vorigen Winter in Stockholm und studierte Jura. Hatte seit einiger Zeit einen neuen Freund, dem er jedoch noch nicht begegnet war. Er hieß eventuell Max. Oder Maximilian.
    Die Jungen waren siebzehn und fünfzehn. Hatten jeder ein Zimmer im jeweiligen Giebel der Villa Pickford, dem großen Holzkasten, der seit vier Jahren ihr Zuhause war. Er fand, dass er sie immer besser kannte. Die Jahre, die sie in Helenas Obhut verbracht hatten, waren vorbei, die Jahre, in denen er geglaubt hatte, die beiden verloren zu haben. Sie hatten ihre neue Mutter geliebt, die nun fort war, das stand außer Frage, aber ihr Tod traf sie dennoch nicht so hart wie ihn selbst. Sie fühlten sich ausreichend geborgen, um die Nasen über Wasser zu halten, jedenfalls wollte er das gerne glauben. Sie hatten genug zu tun mit Schule, Freunden und Freizeitbeschäftigungen. Handball und Geocaching. Beide hatten etwas Unkompliziertes und Gesundes an sich, er hoffte zumindest, dass diese Einschätzungen nicht nur Entschuldigungen und Scheuklappen waren.
    Mariannes Ältester, Johan, war gerade zwanzig geworden. Auch er wohnte noch zu Hause, arbeitete in einer Espressobar in Kymlinge und wusste mehr über Kaffee, als irgendein anderer Mensch, dem Barbarotti je begegnet war. Im Herbst wollte er studieren; in Lund oder Uppsala oder Linköping. Irgendetwas mit Medien, er hatte es versäumt, ihm richtig zuzuhören. Johan stand ihm weniger nah als die anderen.
    Jenny war siebzehn. Wenn er die Kraft fand, über den Tellerrand seiner eigenen Trauer hinauszublicken, sah er, dass es für sie am schwersten war. Empfindsam und entwurzelt. Vielleicht
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