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Am Abend des Mordes - Roman

Am Abend des Mordes - Roman

Titel: Am Abend des Mordes - Roman
Autoren: H kan Nesser
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und gar nicht«, sagte Backman. »Ich wollte mich nur vergewissern, dass du sie nicht vergessen hast.«
    »Sie sind alle ohne mich beschäftigt«, meinte Barbarotti. »Die Jungen sind bei ihrer Mutter in Göteborg … im Vergnügungspark Liseberg, nehme ich an, sie besteht darauf, sie dorthin zu schleifen. Johan ist mit seiner Freundin unterwegs, irgendeine Studentenfete oder so. Sara und Jenny wollten ins Fitnessstudio und anschließend ins Kino … du siehst, ich weiß über sie Bescheid. Wie sieht es bei dir aus?«
    Eva Backman zuckte mit den Schultern und wirkte für einen Moment traurig. »Sicher weiß ich Bescheid«, sagte sie. »Jörgen und Viktor sind mit zwei Freunden segeln. Wenigstens behaupten sie das. Jedenfalls sind sie ausgeflogen und erwarten nicht, dass ich sie im Auge behalte. Kalle ist in der Stadt, der arme Junge ist bei Ville und seinem Hausdrachen. Oder er ist unterwegs und trinkt sich einen, damit die beiden ihre Ruhe haben.«
    »Die Frau kannst du wirklich nicht ausstehen, was?«
    Sie nickte und biss sich auf die Lippe. »Ja, und gerade das macht mir ein wenig Angst. Eigentlich müsste ich damit umgehen können, aber vielleicht bin ich ja auf dem besten Weg, eine richtige Zimtzicke zu werden. Irgendwer hat vor ein paar Stunden etwas über eine weibliche Phase gesagt, erinnerst du dich?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, sagte Barbarotti, sah Eva Backman jedoch an, dass sie jetzt ernst war. Ernst und traurig. Es ist seltsam, dachte er, wir kennen uns schon ewig, und trotzdem glaube ich nicht, dass ich sie jemals barfuß gesehen habe.
    Es war ein unerwarteter Gedanke, und momentan schützten Wollsocken ihre Füße vor der abendlichen Kühle. Aber es ließ sich nicht leugnen, dass sie seit zwanzig Jahren Kollegen waren, und er erkannte, dass es wahrscheinlich keinen anderen Menschen auf der Welt gab, mit dem er so viele Gedanken ausgetauscht hatte.
    »Weißt du noch, wie ich dir erzählt habe, was für eine Angst ich bekam, als Marianne ihr erstes Aneurysma hatte?«, sagte sie jetzt. »Es war irgendwie eine Angst, die einfach nicht weggehen wollte, als hätte ich … ja, als hätte ich begriffen, dass es tatsächlich möglich war. Dass sie sterben würde. Entschuldige bitte, wenn ich das sage.«
    Er nickte. »Ich erinnere mich. Ja, ich glaube, die Angst ist das verheerendste Monster. Sie macht uns kaputt. Vielleicht … vielleicht war es ja das, was ich an Ellen Bjarnebo so bemerkenswert fand. Sie war irgendwie jenseits der Angst.«
    »Jenseits der Angst?«, sagte Backman. »Klingt toll, ich hoffe, man kann irgendwann dorthin finden. Es tut mir leid, dass ich so schwermütig bin, Gunnar, eigentlich wollte ich doch versuchen, dich ein bisschen aufzumuntern. Aber ich fühle mich so … verloren?«
    Barbarotti nickte, blieb aber stumm.
    »Fünfzig Jahre alt, allein und verloren. Wenn ich heute meinen Lebenslauf schreiben müsste, würde diese Zeile völlig reichen.«
    »Eigentlich dachte ich, du bist achtundvierzig?«
    »Ich fühle mich älter«, erwiderte Backman.
    Sie brach ein Stück Schokolade ab und kaute eine Weile. »Heutzutage ist sogar die Schokolade bitter. Und das machen die auch noch mit Absicht, ist das nicht seltsam? So etwas hätte ich als Kind niemals akzeptiert.«
    Sie lachte, und er dachte, wenn es etwas gab, was er in einer fröhlichen Menge von hunderttausend Menschen immer heraushören würde, dann war es Eva Backmans Lachen.
    »Also, ich habe ehrlich gesagt einen kleinen Plan«, sagte er und räusperte sich.
    »Einen Plan?«, fragte Eva Backman.
    »Ja, allerdings, hm.«
    »Na, dann lass mal hören.«
    »Er fiel mir gestern ein, nachdem ich mit Asunander gesprochen hatte. Über das mit seiner Tochter und so …«
    Sie nickte, und in ihren Blick trat etwas, das fast aussah wie Sorge. Aber es war ziemlich schummrig auf dem Balkon, vielleicht hatte er sich auch versehen.
    »Jedenfalls meinte er, dass er nicht wisse, ob er sich traue, aber dass er müsse. Also, sich seiner Tochter vorstellen. Es war vielleicht nichts Besonderes, aber die Art und Weise, wie er das gesagt hat … und sein Gesichtsausdruck. Es war auch deshalb ein bisschen speziell, weil es ausgerechnet er war.«
    »Sprich weiter«, sagte Eva Backman.
    »Nun, irgendwie konnte ich nicht aufhören, darüber nachzudenken, und am Ende verstand ich, warum. Ich habe vor, nach meinem Vater zu suchen und ihn zu finden.«
    »Nach deinem Vater?«
    »Ja.«
    »Dem du nie begegnet bist? Dem Italiener …?«
    »Genau.
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