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Alvion - Vorzeichen (German Edition)

Alvion - Vorzeichen (German Edition)

Titel: Alvion - Vorzeichen (German Edition)
Autoren: Daniel Thiering
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Bestürzung, doch niemand vermochte etwas daran zu ändern. Scheinbar waren die letzten Reste der lynischen Kultur und die letzten Erben des ersten großen Volkes endgültig vom Antlitz Velias verschwunden.

Erster Teil
     
     
     
     

DÄMMERUNG

Kapitel 1
    Am Abend eines heißen Sommertages, dessen letztes Licht gerade am westlichen Horizont verblasste, funkelten bereits die ersten Sterne wie strahlende Diamanten am wolkenlosen Nachthimmel, und an einem einsamen Strand war lediglich das sanfte Rauschen der auf den Sand auflaufenden Wellen zu hören. Einige Meilen östlich pulsierte noch das abendliche Leben in Bilonia, einer großen Stadt an der Südostspitze des septrionischen Kontinents, die für eine Hafenstadt erstaunlich ansehnlich und ruhig war. Ich saß alleine am Strand und starrte in die Flammen eines großen Feuers, die gierig in den Himmel leckten und Funken hoch schleuderten. Vom Meer wehte nur eine schwache Brise ins Land, die kaum Einfluss auf das Feuer nahm und nur leicht mit meinem ohnehin zerzausten und relativ kurzen Haar spielte, während mein Blick starr ins Feuer gerichtet war. Meine Gesichtszüge hätte man zu jener Zeit wohl noch als jugendlich bezeichnet und sie waren umrahmt von einem schmalen, ordentlich gestutzten Bart und meine Haut besaß einen milden Bronzeton, wie er hier im Süden häufig vorkam. Meine dunkle Kleidung war wie üblich ordentlich und zweckmäßig, ohne besonderen Zierrat, lediglich die soliden, aber schmucklosen Stiefel verrieten, dass sie maßangefertigt worden waren.
    Stundenlang saß ich einfach da und starrte in die Flammen, nur gelegentlich glitt mein Blick über das Feuer hinweg aufs Meer hinaus. Bald jedoch stiegen Wehmut und Trauer in mir auf und es kostete mich Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Es war der Tag des lynischen Sommerfestes, des wichtigsten Feiertags meines Volkes, das genau an jenem Tag vor nunmehr elf Jahren vernichtet worden war und als ausgerottet galt, nachdem die Insel Alyra, meine Heimat, in den Tiefen des Ozeans versunken war. Nur ich hatte überlebt und das machte mich zum einsamsten Wesen in ganz Velia.
    Neben der Trauer empfand ich in diesen Stunden aber auch eine Art süßen Schmerzes, denn niemals in den vergangenen Jahren hatte ich mich meiner Heimat und meiner Familie wieder so nahe gefühlt, wie an diesem Abend. Obwohl ich gerade einmal dreiundzwanzig Jahre zählte, war ich schon sehr weit herumgekommen, hatte eine große Menge an Städten und Dörfern bereist und unzählige Menschen, Zal und Argion getroffen. Nirgendwo auf diesen weiten Reisen durch Velias Lande hatte ich einen Beleg dafür gefunden, dass noch andere jenen schrecklichen Tag überlebt hatten, seien es Glückliche, die sich über das Meer gerettet hatten oder andere, die damals aus irgendeinem Grund nicht zum großen Fest hatten heimkehren können.
    Und so saß ich alleine im Sand und fühlte mich einsam und verloren, während ich dem Knistern der Flammen und dem sanften Rauschen der Wellen lauschte, bis das Feuer heruntergebrannt war. Eine kühle Brise umwehte mich irgendwann und ließ mich frösteln, sodass ich mich in eine Decke hüllte und in den leuchtenden Sternenhimmel blickte.
     
    Irgendwann im Laufe dieser Nacht fasste ich den Entschluss, schon am nächsten Tag die bekannten Händler in Bilonia aufzusuchen, um einen neuen Auftrag anzunehmen, weil mich die aufgewühlten Erinnerungen wieder einmal dazu zwangen, auf Reisen zu gehen, obwohl ich genau wusste, dass ich ihnen nicht entkommen konnte. Jedenfalls nicht auf diese Weise. Und doch verband ich seit Jahren das einzige, mir mögliche Leben mit dem Nützlichen: Als Söldner Handelszüge oder reiche Personen durch Septrions Länder zu begleiten und zu beschützen. Zwar hatte sich die Lage im gewaltigen Königreich Solien, das mit Abstand den größten Teil des septrionischen Kontinents umfasste, seit dem Amtsantritt von König Melior vor nunmehr achtundzwanzig Jahren wesentlich gebessert, doch es war noch immer sehr gefährlich, jene weiten Länder zu bereisen. Wegen ihrer riesigen Ausmaße und ihrer zum Teil wilden Natur, gab es unzählige Räuberbanden und eine Vielzahl gefährlicher Tiere. Dies zwang die Kaufleute, sich in Gilden zusammenzuschließen und Bewacher für ihre großen Karawanen anzuheuern. Obwohl diese Bewacher alles andere als billig waren, beklagte sich kaum ein Händler darüber, denn in den Zeiten vor Meliors Herrschaft waren brandschatzende Armeen und marodierende Söldner durch die
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