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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman
Autoren: Hans Fallada
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ärgerlich.
    »Sofort. Zwei Minuten, Herr Professor«, sagte der ältere Herr beschwörend und ging ihm voran aus der Schalterhalle durch eine Tür auf einen Gang. Zwei andere Herren folgten dem Professor. Der Führer klopfte gegen eine Tür. »Herr Direktor Kunze«, flüsterte er im Eintreten, »hier ist der fragliche Herr.«
    Der Professor trat über die Schwelle. Hinter einem Schreibtisch saß ein dicker, rotgesichtiger Mann mit einer Glatze, der ihm erwartungsvoll entgegenstarrte. Und neben diesem völlig fremden Herrn in einem Sessel saß – der Professor traute seinen Augen nicht – die Witwe Müller! Die ewig erwartete Müllern, mit tränennassem Gesicht!
    »Herr Professor«, rief sie schluchzend und schnellte empor. »Vergeben Sie mir, ich konnte nicht anders. Über zwanzig Jahre bin ich schon bei Ihnen, und wir haben so schön gespart, nun wollen Sie es den Räubern geben! Herr Professor, Sie müssen mir verzeihen, ich habe den Herren alles gesagt, und die Herren sagen auch …«
    »Halt!« rief der Sparkassendirektor und hob die Hand. »Wir haben natürlich überhaupt noch keine Stellung genommen. Was diese Frau, Ihre Wirtschafterin, uns erzählt hat, ist etwas verworren. Immerhin … Bitte, Herr Professor, nehmen Sie Platz und berichten Sie uns zuerst einmal, wie ihr Sparbuch in die Hände Ihrer Wirtschafterin gekommen ist.«
    »Müllern«, sagte der Professor vorwurfsvoll, »Ihretwegen versäume ich nun den Zug. Und Herr Amtsgerichtsrat Schulz erwartet mich doch mit dem Geld!«
    »Amtsgerichtsrat«, flüsterten die Herren, als habe er ein Zauberwort gesprochen, und die Tränen der Müllern versiegten.
    Es gab noch ein langes Hin- und Herreden, auch ein Telephongespräch nach Kriwitz, das dann nach Krüselin umgelegt wurde, die Müllern weinte öfters …
    Aber der Professor bekam sein Geld und Entschuldigungen dazu – nur seinen Zug bekam er nicht mehr. Es mochte sein, wie es wollte, er konnte erst mit dem Abendzug eintreffen.
    Auf dem Bahnhof, unter der einzigen Gaslaterne, erwarteten ihn zwei Herren, Amtsgerichtsrat Schulz und Doktor Kimmknirsch: »Also wirklich noch der Herr Professor! Wo blieben Sie denn so lange?«
    Die drei Herren gingen zusammen die nächtliche Kriwitzer Hauptstraße zum »Erbherzog« hinunter. Es war zwanzig Minuten nach sieben, gerade die rechte Zeit für ein Abendessen. Der Professor erzählte. Er hatte keinen Blick für so was, der Amtsgerichtsrat kannte ihn nicht, aber Doktor Georg Kimmknirsch hätte den Jungen mit dem zerwehten Strohdach an der Ecke des Bahnhofsgebäudes erkennen müssen. Es war genau der Junge, mit dem er heute früh, ganz gegen seinen Willen, Haschen gespielt hatte.
    Hütefritz folgte den Herren unwillig. Er wollte den Amtsgerichtsrat für sich allein haben, ihm allein galt Rosemaries Botschaft. Der Anblick des jungen Arztes, mit dem Rosemarie so vertraut im Automobil gesessen hatte, war ihm völlig verhaßt – und nun war auch der alte Knacker wieder da, der immer auftauchte, wenn man ihn nicht brauchte. Würden die drei sich nie trennen?
    Er folgte ihnen bis zum »Erbherzog«, in dem sie verschwanden. Unschlüssig blieb er vor der Türe. Nun vielleicht gar noch in die Gaststube gehen müssen, die voller Menschen saß, und dort seine Botschaft ausrichten, nein, lieber warten. –
    Es ist nicht zu leugnen, daß die beiden jüngeren Herren sehr erheitert von des Professors Bericht waren.
    »Einiges, mein lieber Herr Professor, habe ich mir ja nach dem telephonischen Anruf aus Berlin gedacht, aber dies doch nicht. Hoch die Witwe Müller! Denken Sie sich aus, Herr Professor, wenn sie diebisch veranlagt gewesen wäre –?«
    »Aber wie soll sie das?« fragte der Professor etwas hilflos. »Sie ist doch schon über zwanzig Jahre bei mir.«
    »Das ist auch ein Grund«, sagte der Amtsgerichtsrat und betrachtete fast schwermütig die Summe des Sparbuches. »Dies ist ein Betrag, der immerhin manches nicht ganz taktfeste Herz schneller klopfen ließe. – Stillfritz, Tinte und Papier! Lieber Herr Professor, ich bin immer der Ansicht, man sollte seinem Schutzengel das Behüten nicht gar zu schwer machen. Sie erlauben darum, daß ich ihn etwas entlaste. Jetzt geben Sie mir erst einmal Ihr Sparbuch, und da – ich sehe, Sie haben heute zweitausendzweihundertfünfzig Mark abgehoben – fünfzig Mark, nein, zwanzig Mark sind völlig genug für Sie, nicht wahr, Doktor?«
    »Richtig«, sprach Doktor Kimmknirsch.
    »Also, ich werde Ihnen jetzt eine Quittung ausstellen,
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