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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman
Autoren: Hans Fallada
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Herr Professor.«
    »Nicht nötig, ich bin Ihnen so dankbar …«
    »Doch nötig. – Was ist, Stillfritz?«
    »Ein Junge, Herr Amtsgerichtsrat, will Sie eilig sprechen.«
    »Na, ich sage es ja«, sagte der Amtsgerichtsrat gottergeben und erhob sich. »Wo gibt es nun wieder Mord und Totschlag?«
    Er verschwand. Der Doktor und der Professor sahen sich an, beide lächelten ein wenig verlegen.
    »Sie kennen mein Patkind schon länger?«
    »Nein, erst seit ein paar Tagen.«
    »Ich auch«, sagte der Professor. »Sie sind Arzt?«
    »Ja«, sagte der junge Arzt. »Arzt ohne Praxis.«
    »Das kommt, das kommt alles«, tröstete der Professor. »Sie haben mein Patchen doch nicht als Arzt kennengelernt?«
    »Ein wenig«, sagte Doktor Kimmknirsch.
    »Oh«, machte der Professor erschrocken.
    Aber ehe er weiterreden konnte, kam der Amtsgerichtsrat eilig.
    »Doktor, es hilft nichts, sehen Sie sofort, daß Sie das Auto von Tengelmann kriegen. Wir müssen auf der Stelle nach Unsadel.«
    »Ja?« fragte der Arzt und sprang auf.
    »Es ist doch …«, fing der Professor an.
    »Ja, ein Bote von Rosemarie Thürke. Schlieker hat alles gelogen, sie war gar nicht fortgelaufen. Schlimme Geschichte, wenn sie wahr ist. Hält sie wie eine Gefangene, hat auch Ihr Geld gestohlen, Herr Professor … Los, los, ich laufe, daß ich Gendarm Gneis mobilisiere und Ihren Mammon erst einmal unter Verschluß bringe. Hier ist Treffpunkt. Stillfritz, lassen Sie den Jungen am Ofen sitzenund geben Sie ihm was zu essen. Los, Doktor, so schnell es geht, ich habe ein schlechtes Gefühl …«
    Es dauerte doch fast eine Stunde, ehe sie fortkamen. Gneis hatte sich nicht gleich finden lassen, dem schlafenden Tengelmann war der Garagenschlüssel nur schwer abzulisten gewesen. Das Auto schoß mit Arzt und Professor, Amtsgerichtsrat und Gendarm und mit dem Hütefritzen ins Dunkle.
    Die Heckenwände seitlich des Weges standen im Scheinwerferlicht wie Gespenster da. Der Weststurm riß an ihnen. Der Amtsgerichtsrat schrie gegen ihn an: »Sieht alles so friedlich aus. Und doch habe ich ein verdammt schlechtes Gefühl im Magen. Wir hätten sie doch nicht zurückschicken sollen …«
    Keiner antwortete, das Auto stürmte weiter.
    »Ich bitte«, rief der Gendarm, »halt!«
    Der Doktor bremste: »Was ist denn?« fragte er unwillig.
    Der Gendarm hob den Finger: »Hören Sie …«
    »Was ist?«
    »Irgendwas bimmelt …«
    »Die Glocke, die Glocke von Unsadel … Herr Amtsgerichtsrat … da … da!«
    »Was ist denn los, Gneis, zum Donnerwetter?!«
    Aber da sahen sie es schon alle …
    Es war, als ginge ein blutigroter Mond auf. Aber schon entblätterte er sich, hohe, hellrote Zungen stiegen in den Himmel. Eine düstere Glut reichte höher …
    »Es brennt, es brennt in Unsadel!«
    »Und Rosemarie eingesperrt!« schrie Hütefritz.
    »Rasch, Doktor, rasch!« rief der Amtsgerichtsrat und schlug dem Arzt auf die Schulter.
    Der Wagen sprang los wie ein Tier, der immer mehr sich ausbreitenden Glut entgegen.

23. KAPITEL
    Worin Rosemarie Thürke ihren Kampf allein kämpft
    Sturm und Regen, trübe Wolken, ein grauer Tag, ein endloser Tag. Rosemarie ging hin und her, her und hin in ihrem engen Zimmerchen. Ja, wenn jetzt der Doktor noch einmal käme, sie würde nach ihm rufen, sie würde flehentlich bitten, sie fortzunehmen. Was wog es, daß er böse war auf sie? Gar nichts wog es! Allein die Angst in ihr bedeutete noch etwas. Sie wuchs an diesem regnerischen Tag, sie breitete sich aus mit dem Sturmwind, pfiff durch das Schlüsselloch, prasselte gegen die Scheiben. Alles war Angst, nur noch Angst.
    Und es war nicht einmal Angst wegen des bösen Päule Schlieker, der sie wortlos aus der Kammer holte, an irgendeine Arbeit stellte, finster und hustend dabeistand und sie wieder einschloß. Nein, jetzt war es wegen der Frau, der Mali, die wortlos, bleich, mit ausdruckslosem Gesicht durch das Haus irrte, über den Hof ging, drei Minuten an einer glatten Wand nach einer nicht vorhandenen Klinke tastete. Ihr Gesicht war so ohne deutbaren Ausdruck, es schien klein geworden, als sei es von einem hitzigen Feuer in ihr zusammengetrocknet.
    Die Frau kam in den Vorraum, wo Rosemarie – unter Schliekers Aufsicht – Schweinekartoffeln stampfte. Sie hatte eine Flasche in der Hand, eine geöffnete Flasche mit Petroleum. Sie blieb stehen, ohne von den beiden Notiz zu nehmen, sah sich um, als suchte sie etwas. Dann plötzlich neigte sie den Flaschenhals zur Erde, und breit aufklatschend spritzte das Petroleum
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