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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman
Autoren: Hans Fallada
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offen … Komm, hilf suchen …«
    Er hustete keuchend. Sie sprang auf, Angst und Müdigkeit waren fort, die Stunde war da!
    »Lief Mali draußen?«
    »Nein, nein, sie kann das nicht gewesen sein. Ich sehe im Stall nach, such du hier im Haus.«
    Er lief kopflos mit der Laterne fort, ließ sie im Dunkeln. Sie tastete sich in die Küche, ihre Hände suchten nach der Küchenlampe, sie war nicht da, sie suchte.
    »Jetzt könnte ich fortlaufen«, dachte sie flüchtig und suchte weiter.
    Dann dauerte es ihr zu lange, im Dunkeln lief sie über den Gang in das Zimmer ihres Vaters.
    »Mali, Mali!«
    Nichts antwortete. Sie kam auf den Flur zurück, ein kalter Luftzug blies sie an, die Luke zum Boden mußte offenstehen. Sie kletterte die Stiege hinauf und blieb, den Kopf eben durch die Luke steckend, stehen.
    Da war der Boden und da war die Mali! Über den Boden lief es mit vielen aufhuschenden, sich senkenden Zungen, hellen Feuerzungen mit bläulichem Rand, und dazwischen stand im Hemd Mali …
    »Päule!« schrie Rosemarie hinunter. »Hierher! Es brennt!«
    Sie sprang vollends hinauf, lief über die kleinen Flammen, die schon überall waren, zu der Frau hin, die starr, geistesabwesend und doch mit einem Lächeln zwischen dem steigenden Feuer stand.
    »Mali!« schrie sie. »Komm! Komm bloß schnell!«
    »Horch!« sagte die Frau. »Wie es knistert! Wir sind frei …«
    Ein hereinfauchender Windstoß blies ein Flammenbündel hoch wie einen Strauß riesiger, feuerroter Tulpen. Verzaubert schaute Rosemarie hin. Auf langen, blauen Stielen schwankten die Blüten …
    »Sieh«, flüsterte die Frau, »wir sind frei.«
    Etwas biß in Rosemaries hängende Hand – neben ihr stieg eine weiße, glutzitternde Flamme auf. Sie riß an der Frau, zögernd folgte sie.
    »Schnell«, flüsterte Rosemarie.
    Unten in dem zitternden Schein, der nun schon durch die Luke leuchtete, stand groß und schwarz Schlieker.
    »Brennt es?« fragte er leise.
    »Es brennt«, antwortete sie.
    »Wasser?«
    »Nichts, nein«, schüttelte sie, »es brennt schon überall. Was sollen da ein paar Eimer Wasser?!«
    »Ich …«, fing er an. Er schüttelte den Kopf. »Das wollte ich nicht … Nein, nein«, sagte er dann ungeduldig. »Jetzt ist alles zu Ende …«
    Er stand da und sah Rosemarie an. Von oben fiel röterer Schein hinab. Nun prasselte und knisterte es, wie es Rosemarie vorhin in ihrer Stube gehört hatte.
    »Ich habe immer Pech gehabt«, sagte der Mann langsam. »Und du hast mir nun das größte Unglück gebracht, Marie.«
    Er stand unentschlossen da. Plötzlich lachte er auf, breitete die Arme aus und sagte mit einem seltsamen Schluchzen in der Stimme: »Also, ich bin fertig! Es brennt … Hast du es doch geschafft –!«
    Er ging aus dem Gang, ließ sie dort stehen mit der bewegungslosen, teilnahmslosen Frau.
    Als Rosemarie die Willenlose angezogen hatte, mit ihr aus dem Haus kam, schlug schon die Flamme aus dem Dach. Im Dorf wurde Schreien laut, die Glocke fing an zu bimmeln. Brausend stürzte sich der Sturm in die Flammen, riß Fetzen von ihnen ab, trieb sie in die Nacht wirbelnd über das Stalldach fort.
    Die Kühe brüllten im Stall. »Man müßte das Vieh losmachen«, dachte Rosemarie, seltsam betäubt (ihr war, als sei sie ganz ruhig); aber sie ging nicht, sie ließ die Frau an ihrer Seite nicht los.
    Die Flammen prasselten und sangen, sie schlugen immer höher in den Nachthimmel, noch waren die Fenster im Erdgeschoß dunkel.
    »Man müßte Vaters Sachen heraustragen«, dachte Rosemarie wieder, aber die Erstarrung wich nicht von ihr.
    Ein Funkenregen fiel stäubend hinter den Fenstern von Schliekers Schlafzimmer nieder. Flammend kam von niederfallenden Balken Schlag auf Schlag – eine Scheibe sprang klirrend …
    Und nun liefen die ersten Menschen herbei, schreiend, keuchend, zuerst ratlos umherirrend, dann zum Stall.
    »Geht doch weg, ihr Weiber!« schrie einer und stieß Rosemarie an.
    Langsam, Schritt für Schritt, ging Rosemarie aus dem Funkenregen mit der Frau dem Garten zu. Es war sehr schwer, etwas zu tun, und sei es auch nur zu gehen.
    Bei einer Bank hielt sie an, setzte sich, zog die Frau Mali neben sich. Das Haus war eine glühende, lohende Fackel. Beide starrten sie bewegungslos hinein.
    So wurde sie von ihren Freunden gefunden, von Professor Kittguß und Doktor Kimmknirsch, vom Amtsgerichtsrat Schulz und dem Hütefritz. So in die Flammen starrend, ohne Wort und Träne.
    »Hast du es doch geschafft«, klang es in Rosemarie. Und immer wieder
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