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Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Altes Herz geht auf die Reise - Roman

Titel: Altes Herz geht auf die Reise - Roman
Autoren: Hans Fallada
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als bekämen sie Leben. »Sehen Sie«, sagte sie klagend.
    »Wir werden vermutlich ausziehen«, sagte der Professor. »Es wäre zweckmäßig, Frau Müller, wenn Sie während meiner Abwesenheit alles dafür vorbereiten würden. Ich reise erst einmal morgen früh wieder ab.«
    »Sie fahren?« fragte die Müllern und starrte. »Sie ziehen?« flüsterte sie. »Herr Professor«, sagte sie und versuchte sich zu fassen, »ist es wegen des schrecklichen Jungen?!«
    »Ja«, sagte der Professor und nickte, »auch der Junge wird dort sein. Aber er ist ein sehr guter Junge, Frau Müller.«
    »Wo Ihre Sachen so schmutzig werden, Herr Professor«, klagte sie. »Und Ihre Arbeit –?«
    »Nun«, sagte der Professor freundlich, »vielleicht werde ich dort auch meine Arbeit wieder aufnehmen. Aber – ich weiß noch nicht, ich denke jetzt anders darüber. – Wir werden dort auf einem kleinen hübschen Hof wohnen, Frau Müller«, suchte er die Trostlose zu trösten. »Mit Pferdchen und Kühen und Schweinen …«
    »Schweine!« sagte sie. »Dieser ekelhafte Bengel, ich habe es gleich gewußt, wie er in der Tür stand! Und die Polizei hat auch nach Ihnen gefragt …«
    »Liebe Frau Müller«, sagte der Professor, »Sie sind jetzt aufgeregt. Ich verstehe es ja, die Veränderung aller Lebensumstände … Auch mir kam es erst ungewohnt. Aber als ich dann über den Zaun im Walde kletterte …«
    Sie sah ihn mit immer größeren Augen an, sie ging langsam zur Tür zurück, immer den Blick auf ihm. »über den Zaun kletterte«, wiederholte sie tonlos.
    »Nun, ich sehe«, sagte der Professor freundlich, »wir müssen über all dies noch ausführlich sprechen. Ich fahre ja auch erst morgen früh. Jetzt hätte ich gern erst etwas gegessen, und dann vor allem eins, Frau Müller, ich habe mir schon den ganzen Weg überlegt, wo habe ich eigentlich meine Schlüssel –?«
    »Ihre Schlüssel –?«
    »Ja, ich sehe, die Lade zum Sparbuch ist abgeschlossen, meine Schlüssel müßten also irgendwo sein.«
    »Ja«, sagte sie gedehnt und sah ihn an.
    »Sie wissen es also auch nicht? Wir müssen es erfahren. Ich muß nämlich etwas Geld abheben, ich habe es mir aufgeschrieben … Hier ist es, richtig, zweitausend Mark. Die muß ich morgen früh holen.«
    »Für den Jungen –?«
    »Aber, Frau Müller, es ist doch nicht nur der Junge da! Der natürlich auch. Aber auch mein Patchen, Rosemarie Thürke, und dann müssen die Schliekers abgefunden werden. Und dem Amtsgerichtsrat muß ich auch das Reisegeld zurückgeben, das habe ich mir nämlich geliehen …«
    »Ich weiß nichts von Ihren Schlüsseln«, sagte die Müllern plötzlich scharf. »Und jetzt mache ich Ihr Abendbrot, Herr Professor. Und dann baden Sie erst einmal und schlafen gründlich …«
    Sie sah ihn zweifelnd an und war aus dem Zimmer. Der Professor sah ihr nach, zog am Griff der Lade, sie war noch immer zu, sah sich unschlüssig im Zimmer um. Sein Blick fiel auf das, was er zuletzt geschrieben. Er las den Satz: »Anno 110, im dreizehnten Jahre Trajans, stieg der Nil nur auf sieben Schuh, wie Harduinus aus einer alten Münze beweist …«
    Es war vier Tage her, daß er dies geschrieben hatte, ihm war, als lägen mindestens ebenso viele Jahre dazwischen. Er schüttelte den Kopf, sah sich wieder um. Was in aller Welt sollte er bis morgen früh in diesem toten, leblosen Zimmer anfangen? Er zog noch einmal an der Lade. Zu. Immer noch zu.
    Sie schliefen beide nicht gut in dieser Nacht, weder der Professor noch seine Wirtschafterin. Draußen, auf dem Lande, in Unsadel, im alten Kuhstall, auf dem Wildgatter oben, da war dem Professor sein Entschluß ganz selbstverständlich vorgekommen. Aber auf dem Gesicht der Witwe Müller war zu lesen gewesen, daß er dies nicht war. Wieder einmal konnte es neue Kämpfe, neue Schwierigkeiten geben.
    Aber vor allem die Schlüssel – das nächste und wichtigste blieben die Schlüssel –, wo waren sie? Der Professor mußte zeitig um neun auf der Kasse sein, um den Zug zu erreichen – und wo waren die Schlüssel?! Wußte die Müller wirklich nichts von ihnen? Ihr Benehmen war seltsam gewesen, jawohl, seltsam bei einer so vertrauten Person.
    Es gab da seines Wissens Schlosser, Männer, die Schlösser berufsmäßig öffneten, aber wo war solch Schlosser zu finden ohne die Beihilfe der Müllern? Der Professor nahm sich vor, am Morgen sehr ernst mit Frau Müller zu reden, die Schlüssel mußten dasein!
    Vorne quälte sich der Professor, am Hinterflur in ihrem Stübchen
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